Kommentar: Ein fragwürdiges Abschiedsgeschenk

INGRID LIEZ …

Wissen Sie, was ein Pensionsabschuss ist? Ein Trophäenträger? Das sind Begriffe im Zusammenhang mit der Jagd und dem Jagdrecht. Ende August war in der Tagespresse, Teil Städtedreieck, zu lesen, dass ein Revierleiter nach langen Jahren im Dienst in den Ruhestand versetzt worden ist. Über 40 Jahre hat er einen Teil des Bayerischen Staatsforstes samt Tierbestand gehegt, gepflegt und mitgestaltet. Zum Abschied in den ohne Zweifel wohlverdienten Ruhestand erhält er von seinen Kollegen einen „Pensionshirschabschuss“ auf dem Truppenübungsplatz Hohenfels gesponsert, worüber sich sein „Jägerherz“ freuen soll.

Also mal ehrlich: Da lebt ein stolzer Hirsch mit einer exzellenten „Trophäe“ auf seinem Haupt in den Wäldern und soll jetzt sterben, damit ein angehender Pensionär eine letzte waidliche Freude erlebt!

Dies ist allerdings eine seit ewigen Zeiten gängige Praxis unter Jagdkollegen. Der Zwölf- oder Vierzehnender ist gesund und es besteht keine Notwendigkeit ihn zu töten (je höher die Zahl der Geweihenden, desto wertvoller ist die Trophäe). Steht zu hoffen, dass der Pensionär des Schießens so weit mächtig ist, dass er ihn sofort mit einem Blattschuss erledigt. Vielleicht verzichtet er auch auf das Foto, das den stolzen Jäger, das Gewehr noch in der Hand, mit dem Fuß auf dem Kadaver posierend zeigt. Jedem Tierschützer blutet das Herz bei diesen Bildern, die auch besonders bei der Großwildjagd im Ausland gang und gäbe sind.

Unverhältnismäßig und unzeitgemäß – das ist das Bundesjagdgesetz im Jahre 2019. „Es räumt einer kleinen Gruppe innerhalb unserer Gesellschaft, den Jagdausübungsberechtigten, spezielle Vorrechte im Umgang mit Tier und Natur ein“, heißt es in einer Broschüre des Deutschen Tierschutzbundes, zu lesen unter www.tierschutzbund.de. 360.000 Jäger/-innen in Deutschland töten jährlich fünf Millionen Wildtiere! Wohl muss der Mensch regulierend in die Wildbestände unserer Wälder eingreifen, damit das Gleichgewicht der Populationen möglichst erhalten bleibt, denn wir haben schließlich die natürlichen Beutegreifer wie Wolf, Luchs oder Bär schon vor langer Zeit ausgerottet. Im Tierschutz wird jedoch auch diese Binsenweisheit in Frage gestellt. Und es ist Fakt, dass die Jägerschaft eine große Anzahl an jagdbarem Wild heranzieht, um sie dann schießen zu können.

Das Tierschutzgesetz fordert immer einen „vernünftigen Grund“ zum Abschuss eines Tieres, z. B. wenn es krank oder missgebildet ist. Alles andere sei ein Verstoß gegen dieses Gesetz, auch die Trophäenjagd: „Durch das Herausschießen von besonders großen und alten Trophäenträgern kommt es zu Störungen innerhalb der Altersstruktur, die für das Funktionieren der entsprechenden Wildpopulationen wichtig ist.“

Das Verständnis von Jagd ist heutzutage nicht mehr mit der ethischen Einstellung eines Großteils unserer Gesellschaft zum Tier zu vereinbaren. Tierschutz hat Verfassungsrang, deshalb fordert der Deutsche Tierschutzbund eine grundlegende Novellierung des Bundesjagdgesetzes. Das Argument eines „historisch gewachsenen“ Nutzungsrechts zieht nicht mehr! Insbesondere dann nicht, wenn dieses Nutzungsrecht auf eine sportliche und freizeitorientierte Jagdausübung hinführt – also auch das Abschießen als Geschenk, zur Freude des Jägers, betreffend.
Der frischgebackene Pensionär aus der Region Städtedreieck täte im Sinne eines modernen Tierschutzes und einer sich als ethisch hochstehend begreifenden Gesellschaft gut daran, wenn er das fragwürdige Präsent seiner Kollegen dankend zurückweist und den Hirsch leben lässt.

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