Kommentar: Wilke-Wurstskandal nur die Spitze eines Eisbergs

INGRID LIEZ …

Also mal ehrlich – es ist nicht zu fassen: Der Profit geht den meisten Menschen wirklich über alles. Offenbar kamen schon seit langer Zeit von der Firma Wilke Waldecker Fleisch- und Wurstwaren verdorbene Produkte auf deutsche, europäische und außereuropäische Teller. Nach einer Art Salamitaktik wurde jetzt nach und nach das Ausmaß eines hässlichen Lebensmittelskandals deutlich.

„Foodwatch – die Essensretter“ nennt sich eine Verbraucherorganisation, die die verbraucherfeindlichen und unlauteren Praktiken der Lebensmittelindustrie entlarven möchte und für das Recht auf gute, gesundheitlich unbedenkliche und ehrliche Lebensmittel kämpft.

Foodwatch kritisiert die katastrophale Informationspolitik des Landkreises Waldeck-Frankenberg und des Wurstproduzenten Wilke im Zusammenhang mit dem Rückruf keimbelasteter Wurst.

In einer Pressemitteilung wird kritisiert, dass keine Angaben darüber gemacht worden seien, wo die Wurst verkauft wurde, auch gebe es keine Listen der betroffenen Produkte. Wilke Wurst wurde nicht nur als Eigenmarke, sondern auch unter Großhändler-Marken verkauft, sowie auch lose in Wursttheken, ebenso wie sie von Caterern in Kliniken oder Altenheimen verteilt und verwendet wurde.

Foodwatch macht insbesondere den Behörden große Vorwürfe und hat sich auch an die Gerichte gewandt. Bereits vor Monaten sei dem Landkreis Waldeck-Frankenberg bekannt gewesen, dass verschiedene Wurst des Betriebs mit Listerien verunreinigt sei. Listerien – das sind eigentlich in der Natur häufig vorkommende Bakterien. Gefährlich sind sie für abwehrgeschwächte Personen: Neugeborene, alte Menschen, Patienten mit chronischen Erkrankungen, Schwangere. Bei ihnen und bei Ungeborenen kann Listeriose zum Tod führen.

„Die Behörden müssen alles dafür tun, um die Menschen rechtzeitig vor dem Verzehr potenziell gefährlicher Lebensmittel zu warnen“, erklärt foodwatch-Geschäftsführer Martin Rücker. „Alle bekannten Verkaufsstellen und die Namen der betroffenen Produkte auch von Handelsmarken müssen unverzüglich öffentlich genannt werden.“

In der Tat stehen mittlerweile zwei Todesfälle in dem Verdacht, auf den Verzehr von Wilke-Wurst zurückzugehen. Www.focus.de berichtet am 9. Oktober 2019, dass die belastete Wurst wohl auch in Niedersachsen und NRW Krankheiten verursacht habe. Mehr als 1000 Firmen im erstgenannten Bundesland stehen auf den Lieferlisten von Wilke.

Zum Skandal gehört auch, dass seit Mitte August das Hessische
Verbraucherschutzministerium informiert gewesen war. Die Öffentlichkeit sei jedoch erst am 2. 10. 2019 über den Fall und die Schließung des Betriebs informiert worden. Den örtlichen Behörden sei der Fall sogar schon viel länger bekannt gewesen – bereits seit Mitte März, schreibt Focus. Damals seien Listerien bei einem Wilke-Produkt in Hamburg festgestellt worden. Seitdem seien die Ämter vor Ort gewesen und hätten immer wieder Proben genommen, so werde jetzt beteuert.

Dass der Betrieb sich in einer finanziellen Schieflage befand und immer wieder Lohnzahlungen verzögert wurden, kommt jetzt erst nach und nach ans Licht. Ungarische Mitarbeiter mit schlechten Sprachkenntnissen seien schlecht bezahlt und untergebracht gewesen. Hygieneschulungen hätten diese teilweise gar nicht verstanden (www.foodwatch.de). Schon vor sieben Jahren seien Wilke-Beschäftigte mit Beschwerden zur Gewerkschaft gekommen.

Wie kann das alles sein? Der größte Skandal liegt meiner Meinung nach darin, dass die Behörden nicht wirklich eingeschritten sind, als sie von den Missständen erfuhren. Warum schützt der Staat seine Bevölkerung nicht vor den Machenschaften verbrecherischer Industrieller? Welche Skandale schlummern noch unaufgeklärt in den Lebensmittelregalen der Supermärkte?

Keiner ist gefeit vor verdorbenen Lebensmitteln. Man sollte versuchen viel frisch zu kochen und wenn es geht, regionale Lebensmittel zu kaufen – und dabei so wenig Fertigprodukte wie möglich. Gott sei Dank gibt es für die Fleischliebhaber unserer Region noch viele seriöse Produzenten und Direktvermarkter. Auf diese regionalen Produkte kann man sich verlassen – etwas anderes sollte nicht mehr in den Einkaufskorb kommen.

Cookie Consent mit Real Cookie Banner