Eine Torte für die Meinungsfreiheit

INGRID LIEZ …

Er wurde 1979 in Cuxhaven geboren und verbrachte schon als Jugendlicher lange Zeit in Syrien. Dort lernte er die arabische Sprache. Später studierte er Jura und arbeitete als Journalist im Libanon, in Dubai und in Afrika. Immer ging es um Dokumentationen, um Flüchtlings- oder Umweltkatastrophen. Er initiierte eine Reihe von deutsch-arabischen Medienprojekten im Verlauf des Arabischen Frühlings und moderierte auf Arabisch für einen ägyptischen Sender eine Wissenschaftssendung. Ab 2012 war er Fernsehmoderator für verschiedene TV-Sender und moderierte Nachrichten über den Nahen und Mittleren Osten. 2017 wechselte er zur ARD, wurde 2021 Tagesschausprecher.

Sie wissen, wen ich meine? Constantin Schreiber. Er war Zeit seines Lebens in Kontakt mit der islamischen Welt und hat sogar Bücher darüber geschrieben: „Inside Islam“ (2017), „Kinder des Koran“ (2019), den Roman „Die Kandidatin“ (2021). 2019 gründete er die „Deutsche Toleranzstiftung“ in Leipzig.

Jetzt hat er während einer Lesung aus seinem neuen Buch „Glück im Unglück – Wie ich trotz schlechter Nachrichten optimistisch bleibe“ an der Universität Jena eine Torte ins Gesicht bekommen – geworfen von einer Links-Aktivistin. Schreibers Reaktion: Rückzug. „Ich werde mich zu allem, was mit dem Islam zu tun hat, nicht mehr äußern“, sagte er laut Medienberichten.

Dabei war der Tortenwurf nur noch das Tüpfelchen auf dem i. Heftige Kritik, Schreiber sei rechtsextrem, rassistisch und islamfeindlich, gab es schon früher. Bereits 2017, als er äußerte, er sei in deutschen Moscheen auf ein „problematisches Weltbild“ gestoßen, erntete er harsche Kritik, besonders aus der linken Szene. Ebenso für den fiktiven Roman „Die Kandidatin“, der in einem Deutschland der Zukunft spielt und in dem eine muslimische Feministin aussichtsreichste Kandidatin für den Posten der Bundeskanzlerin ist (man denke an Michel Houellebecqs „Die Unterwerfung“!). Auch Anfeindungen erlebte Schreiber: Ein Taxifahrer habe beim Aussteigen aus dem Wagen zu ihm gesagt: „Ich weiß jetzt, wo du wohnst!“ – Eine Erfahrung für den Autor, die er nicht vergessen hat.

Dabei beschreibt Schreiber die Religion von ihren beiden Seiten. Jeder, der einmal den Koran aufgeschlagen hat, weiß, dass es darin nicht nur Appelle zum Frieden gibt, Versöhnliches, Poetisches und Lebenserfahrenes, sondern auch deutliche Aufrufe zu Gewalt, ebenso wie strenge Reglementierungen für das Leben von Frauen, ein feindliches Ausländerbild und Konfliktlösungsvorschläge, die stark an das alttestamentarische „Auge um Auge“ erinnern.

Doch mal ehrlich: Ist es schon „rechtsextrem“, wenn ich die positive und negative Seite einer politischen oder religiösen Sache beschreibe? „Alles, was nicht in das Schema der Linken passt, ist rechts“, kritisiert die Frauenrechtlerin und Muslimin Seytan Ates in einem Interview des Senders „Welt“. „Die Linksextremisten sind eine Koalition mit dem politischen Islam eingegangen. Jeder Hinweis darauf, dass eine bestimmte Gruppe von Muslimen frauenfeindlich oder gewaltbereit ist, wird als islamfeindlich bezeichnet. Ein Disput ist nicht mehr möglich.“

Ist es nicht erschreckend für unsere demokratische Kultur, dass es, um es mit dem Bundestagsvizepräsidenten Wolfgang Kubicki zu sagen, ein grundsätzliches Problem in Deutschland geworden ist, über den Islam zu diskutieren? Constantin Schreiber hat sich mit seinem selbst aufgesetzten Maulkorb der Cancel Culture unterworfen. Wenn aber Kritik nicht mehr erlaubt ist, dann geht es um Demokratiefeindlichkeit, denn der kritische Diskurs gehört zum Wesen der Demokratie. Nach Kubicki spiegele Schreibers Entscheidung eine längerfristige Entwicklung in Deutschland wider, die für die Demokratie bedrohlich werden könne. „Jeder, der nach diesem Vorgang noch immer behauptet, Cancel Culture gäbe es nicht in Deutschland, muss sich vorwerfen lassen, den demokratischen Diskurs bewusst oder unbewusst zu zerstören.“ (Zitiert nach www.rtl.de).

Ein Sprecher will nicht mehr sprechen – ob dies ein Gewinn für die Meinungsfreiheit ist, sei eine andere Frage, sagte Schreiber in einem „Zeit“-Interview am 13. September. Ich hoffe sehr, er überlegt es sich noch einmal anders.

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