Jede Kröte zählt!


PIA KIESLICH …

Dietldorf, im April 2021. Es ist 22:30 Uhr, ich sitze vor dem Fernseher, als mir einfällt: Ich muss ja noch zum Krötenzaun. Ich fahre also nach Burglengenfeld, gehe mit meiner Lampe den Krötenzaun ab. Bei 2° C treibt mir der eisige Wind die Tränen in die Augen. Jeder Eimer ist leer – bis auf den letzten: Zwei Erdkröten! Ich lege sie in meinen Eimer und bringe sie über die Straße in Richtung Laichgewässer.

Während ich nach Hause fahre, denke ich 22 Jahre zurück: Damals fuhr ich oft abends von Kallmünz nach Burglengenfeld, wo ich wohnte. Und jedes Jahr im Vorfrühling fielen mir die unzähligen toten oder, noch schlimmer, die halbtoten Kröten auf, die am Ortseingang von Burglengenfeld lagen, etwa auf Höhe der Einfahrt zur ehemaligen Hansa. Mir war bald klar, was sich hier abspielte: Amphibien wandern im Frühjahr, ab Ende Februar bis ca. Mitte April je nach Temperaturen zu ihren Laichgewässern. Dabei nutzen sie die Dunkelheit als Schutz und bevorzugen Regenwetter.

Um 22:00 Uhr hatte die Hansa „Schichtende“ und unzählige Autos fuhren in die Kallmünzer Straße ein, in beide Richtungen. Das war der Hauptgrund für den ungewollten „Massenmord“. Oft hielt ich an und trug die noch lebenden Kröten auf die andere Straßenseite, wo der Laichtümpel liegt. Das war nicht ungefährlich: Dunkelheit, Regen und rasende Autos!

Als Mitglied beim Bund Naturschutz wusste ich, was hier Abhilfe schaffen konnte: ein Krötenzaun! Im Frühjahr 2000 wurde er zum ersten Mal vom BUND aufgestellt. Ich betreute ihn zehn Jahre lang allein, das hieß: Ab Ende Februar musste ich jeden Abend – je später, desto besser – an den Zaun und die Kröten und Frösche aus den Eimern holen. Manchmal war ich halb erfroren, manchmal vom Regen nass bis auf die Haut, meistens war nichts in den Eimern, aber die müssen trotzdem kontrolliert werden.

Im ersten Jahr (2000) trug ich 458 Kröten und 47 Frösche über die Straße und ich freute mich über jedes Tier. Aber sie wurden jedes Jahr weniger: Verbauung der Lebensräume, Glyphosat und Gülle, die die Haut der Tiere verätzen und den Insekten die Wildblüten als Nahrungsgrundlage nehmen. Von den Insekten – und Regenwürmern – ernähren sich aber die Amphibien!

Nach zehn Jahren fand ich endlich Helfer und wir verteilten die Aufgaben. Deshalb auf diesem Weg: Dank an meine treuen „Krötenretter“!

Aber die Zahl der Tiere sank von Jahr zu Jahr. Von 400 bis 500 Exemplaren Anfang der 2000er Jahre sind es seit ca. acht Jahren zwischen 140 und 160 Tiere, Tendenz sinkend.

Ich weiß, Kröten haben keine Lobby und ihr Kuschelfaktor ist gleich Null. Aber sie sind ein wichtiges Glied im biologischen Kreislauf. Wenn ich einen Storch oder Reiher am Laichtümpel sehe, denke ich mir: „Der frisst gerade meine Kröten…!“ Aber das ist der Lauf der Natur, das muss ich so hinnehmen. Was ich aber nicht mehr akzeptieren will und was mich in Rage bringt, ist die Tatsache, dass wir (fast) alle stillschweigend zusehen, wie der Lebensraum von Tieren Pflanzen zerstört wird.

Das jüngste Beispiel ist hier in Burglengenfeld der toom-Baumarkt. Wieder eine gigantische Fläche Boden versiegelt, während sich das NAC immer mehr leert, das Hansagelände schon seit Jahren leer steht und in Teublitz der nächste Coup gegen die Natur schon im Stadtrat beschlossen ist – einheitlich mit allen CSU- und SPD-Stimmen. Nur zwei Stadträte (Grüne) widersetzen sich diesem Raubbau an 20 Hektar intaktem Mischwald.

Während überall die Wälder verdorren, sollen hier ca. 30 Fußballfelder wertvoller, feuchter Klimaschutzwald für ein Industriegebiet zugeteert und betoniert werden (was sich da in der Nach-Coronazeit ansiedelt, ist sowieso fraglich). Wollen die Teublitzer*innen wirklich zulassen, dass ein kühlender CO2-Speicher vielleicht einer Autobahnraststätte mit Abgasen, Gestank und Lärm unwiederbringlich geopfert wird?

Ich werde oft gefragt, ob mir nicht „graust“, die Kröten anzufassen. Nein, davor graust´s mir nicht“! Mir graust´s vor der Dummheit der Menschen, die mit Baggerschaufeln anrücken (lassen) und zerstören, was für unsere Zukunft immer lebenswichtiger wird: Ein intaktes Ökosystem. Wir tragen hier jede Kröte einzeln über die Straße, während dort im großen Stil deren Lebensraum vernichtet wird.
Herr, wirf Hirn vom Himmel (und möglichst über Teublitz)!

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