Marine Le Pen geht auf Distanz zur AFD

INGRID LIEZ …

Was die AFD in Deutschland ist, ist die „Rassemblement National“ in Frankreich. Oder? Die französische, rechts-konservative Partei von Marine Le Pen stimmt inhaltlich meist mit der AFD überein, und doch ging vor Kurzem die Parteichefin zu ihrem deutschen Pendant in Distanz.

Auslöser dafür war das vielbeachtete Treffen von Rechtsradikalen und AFD-Politikern in Potsdam, bei dem ein sogenannter „Masterplan“ zur Vertreibung von Millionen Menschen mit Migrationshintergrund aus Deutschland – auch gewaltsam – besprochen worden sein soll. Für Le Pen ergäben sich daraus sogar eventuell „Folgen für die gemeinsame Fraktion im EU-Parlament“, schreibt t-online.de am 11. Februar 2024. Beide Parteien sitzen nämlich im Europaparlament in der ID-Fraktion („Identität und Demokratie“), in der sich verschiedene rechtspopulistische oder nationalistische europäische Parteien zusammenfinden. Dazu gehören neben AFD und RN auch die italienische „Lega“ und die österreichische FPÖ.

Bis 2017 forderte Marine Le Pen selbst den sogenannten Frexit, den Austritt Frankreichs aus der EU. Nach ihrer Wahlniederlage gegen den Europa-affinen Emmanuel Macron stand diese Forderung nicht mehr im Zentrum bei der RN.

Bei der AFD hingegen scheint man sich über die Forderung nach dem Dexit allerdings nicht einig zu sein: In der Talkshow von Markus Lanz stellte der Dexit nach Worten des AFD-Co-Vorsitzenden Tino Chrupalla immer noch eine Möglichkeit dar, jetzt ebenso bei AFD-Chefin Alice Weidel, die in der Vergangenheit eigentlich immer dagegen war. In einem Interview mit der „Financial Times“ Mitte Januar 2024 stellte sie ein deutsches Referendum über einen Dexit als eine reale Möglichkeit dar. Die AFD hat als Ziel ein „Europa der Vaterländer“, die als Mitgliedstaaten einer reformierten EU wieder über viel mehr eigene Souveränität verfügen.

Wirtschaftsweisen wie Michael Hüther, Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft, und Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, sehen allerdings die deutsche Wirtschaft bei einem Dexit vor dem endgültigen Kollaps. Schon jetzt, durch den Austritt Großbritanniens aus der EU, sei das Handelsvolumen zwischen den beiden Ländern um 10-15% zurückgegangen. Und ohne eine Zuwanderung nach Deutschland stehe das Land vor einem großen demografischen Problem, so Hüther. Der Brexit koste Großbritannien jährlich 163 Milliarden Euro. Hier zeigt sich bereits, was nach einem Austritt Frankreichs oder Deutschlands aus der EU passieren würde!

Kein Wunder also, dass sich die RN-Chefin Le Pen, und besonders nach Potsdam, von der AFD distanzieren möchte. Dabei sind die Positionen der beiden Parteien ansonsten kompatibel – sowohl bei der Forderung nach weniger Klimaschutz, nach einem Stopp von Waffenlieferungen in die Ukraine und nach einem Unterbinden der freizügigen Einwanderung von Migranten und deren Familienangehörigen.

Ein Dorn im Auge scheint für die RN-Chefin außerdem die radikale Rhetorik der AFD zu sein, so mutmaßt t-online.de. Marine Le Pen versuche dagegen, seitdem sie die Partei von ihrem Vater 2011 übernommen hat, ihr Image als Radikale abzuschwächen und damit breitere französische Bevölkerungsschichten anzusprechen.
Ob es allerdings in der europäischen ID-Fraktion wirklich zu einem Bruch kommt, bleibt fraglich. Keine Frage ist, dass europaweit die Rechten auf dem Vormarsch sind, in Deutschland liegt die AFD im Europa-Wahltrend mit 23 % an zweiter Stelle hinter der CDU/CSU (28 %).

Umgekehrt ist es für konservative und andere Parteien in Deutschland von Vorteil, dass sich die AFD immer wieder in rechtsextremer, rechtspopulistischer Rhetorik verfängt und damit weitere potentielle Wähler abschreckt. Und doch bekennt sie sich in ihrem Grundsatzprogramm (2024) unumwunden zu Demokratie, Freiheit und Rechtstaatlichkeit.

In der Asylzuwanderung fordert sie einen „Paradigmenwechsel“ und nicht etwa ein Ende jeglicher Migration. Während die illegale Zuwanderung gestoppt werden und die europäische Freizügigkeit eingeschränkt werden sollen, möchte man die qualifizierte Zuwanderung unterstützen und die Integration der Eingewanderten forcieren – nach dem Vorbild Kanadas oder Australiens.

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