„Schwandorfer Erklärung“: Aufruf zum Unterschreiben

Bündnis gegen Rechtsextremismus gibt schweigender Mehrheit eine Stimme

SCHWANDORF/LANDKREIS (lz). Dienstag um Dienstag versammeln sich auf dem Schwandorfer Marktplatz Menschen, die unter der Schirmherrschaft der AfD ihren Unmut gegen die Corona-Politik der Regierung Ausdruck geben.

Foto: Frank Möller

Wie in anderen Städten Deutschlands gehen hier sowohl Impfgegner und Corona-Leugner als auch Menschen auf die Straße, die Angst vor der Impfung haben oder Wut darüber, dass der Staat mit einer Impfpflicht auf ihre persönliche Freiheit Einfluss nehmen will. Während es anfänglich über 1000 Teilnehmer*innen waren, ist die Zahl der Demonstrierenden mittlerweile signifikant gesunken.
Eine erfolgreiche Gegenöffentlichkeit erreicht hat die sogenannte „Schwandorfer Erklärung“ des Schwandorfer Bündnisses gegen Rechtsextremismus –nach dem Vorbild der „Schweinfurter Erklärung“. „Wir wollen keinesfalls das Feld den Impfgegnern und den rechten Gruppierungen überlassen,“ sagt Frank Möller, der neben Stadtrat Franz Schindler und Günther Kohl Sprecher des Bündnisses ist. Es wurde eine Petition auf www.change.org initiiert, die bereits Mitte Januar 2022 über 5000 Unterschriften erzielt hat. „Damit geben wir der schweigenden Mehrheit, die sich an die Regeln hält und hofft, dass Corona bald eingedämmt wird, eine Stimme.“

Gegen Instrumentalisierung durch rechte Gruppierungen

Es geht den Initiatorinnen der Petition ausdrücklich nicht darum, die Meinungsfreiheit einzuschränken. Möller erklärt gegenüber LOKAL: „Jede und jeder darf selbstverständlich ihre bzw. seine Meinung vertreten, auch wenn diese seriösen wissenschaftlichen Erkenntnissen widerspricht. Was wir aber als Bündnis gegen Rechtsextremismus nicht hinnehmen können und wollen, ist, dass anscheinend viele dieser Impfgegnerinnen und Kritikerinnen der staatlichen Coronamaßnahmen überhaupt kein Problem damit haben, sich hinter der AfD zu versammeln und sich damit von dieser für deren Zwecke instrumentalisieren lassen.“ So geschehen sei dies etwa am 21. Dezember 2021, als mehrere hundert Menschen vollkommen kritiklos an einem Demonstrationszug durch Schwandorf teilnahmen, der von Personen angemeldet und von Ordnerinnen begleitet wurde, die der Neonazi-Szene nahestehen oder zuzurechnen seien. „Da kann sich nach unserem Dafürhalten dann auch niemand darauf rausreden, dass er oder sie ja mit Rechtsextremisten und Neonazis nichts „am Hut“ hat, wenn er oder sie mit diesen durch die Stadt marschiert. Dies wollen wir in Schwandorf nicht dulden. Unsere Stadt soll kein Sammelpunkt für Corona-Leugner, Verschwörungserzähler, Demokratiefeinde und Neonazis werden“, erklärt Frank Möller.
Seit 7. Januar ist die Petition freigeschaltet, bereits zwei Tage später war die 5000er-Marke überschritten. „Darüber freuen wir uns sehr. Und es zeigt uns, dass wir mit unserer Aktion einen „Nerv“ getroffen haben, übrigens wie viele gleich gelagerte Aktionen in ganz Deutschland und auch in der Oberpfalz. Die große sogenannte schweigende Mehrheit hat die Möglichkeit ganz coronakonform genutzt und kundgetan, dass jene, die sich Woche für Woche auf Marktplätzen versammeln, die marschieren oder „spazieren“, eben eine kleine, wenn auch laute, Minderheit sind.“

Jede*r kann unterschreiben

Die Schwandorfer Erklärung ist unter www.schwandorfer-erklaerung.de im Internet abrufbar, von dort aus wird man auch zur Petition weitergeleitet. Mit zu den Erstunterzeichnern gehören Landrat Thomas Ebeling, der Schwandorfer Oberbürgermeister Andreas Feller, Martina Englhardt-Kopf, 2. Bürgermeisterin und Bundestagsabgeordnete, Marion Juniec-Möller, 3. Bürgermeisterin, Franz Schindler, Stadtrat und Mitglied des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, Tina Winklmann und Marianne Schieder, beide MdB, die beiden Altlandräte Hans Schuierer und Volker Liedtke, Schwandorfs Altbürgermeister Helmut Hey, Alexander Heinz und Andreas Betzlbacher, die Vorsitzenden des Schwandorfer Stadtmarketings. Das Schwandorfer Bündnis gegen Rechtsextremismus versteht sich als überparteilich und interkonfessionell. Ihm gehören zahlreiche Vertreter*innen der demokratischen Parteien von CSU über Bündnis 90/Die Grünen bis zur Linken an, aber auch Einzelpersonen und die beiden großen Kirchen.
Zu den Befürwortern gehören neben Dekan Hans Amann auch der Schwandorfer evangelische Pfarrer Arne Langbein sowie der Burglengenfelder Pfarrer Gottfried Tröbs. „Es geht darum, dass Organisationen wie die AfD, Verschwörungstheoretiker und Demokratiefeinde bei Demonstrationen auf dem Schwandorfer Marktplatz Tatsachen im Zusammenhang mit Corona verdrehen, bewusst missachten und alte und neue Nazis versuchen, den Protest für ihre politischen Zwecke zu missbrauchen“, schreibt Tröbs in einer E-Mail an die LOKAL-Redaktion.

„Was Ausdruck von Gemeinsinn ist, darf nicht als Diktatur verunglimpft werden!“

Dier Schwandorfer Erklärung wendet sich an alle Bürger*innen des Landkreises. Darin heißt es: „Wir sind froh, dass es gelungen ist, wirkungsvolle Impfstoffe herzustellen und betrachten es als Ausdruck des Verantwortungsbewusstseins, sich impfen zu lassen und damit sich selbst und andere zu schützen. Wir haben Verständnis dafür, dass viele um ihre Freiheitsrechte und um ihre wirtschaftliche Existenz besorgt sind und deshalb auf die Straße gehen. Jede und jeder darf und soll seine Meinung äußern und muss gehört werden. Das Recht auf individuelle Freiheit findet aber auch unter der Geltung des Grundgesetzes und der Bayerischen Verfassung seine Grenze an der Notwendigkeit des Schutzes der Mitbürgerinnen und Mitbürger, besonders der verwundbaren alten, kranken und pflegebedürftigen. Was Ausdruck von Gemeinsinn, Vernunft und Verantwortungsbewusstsein ist, darf nicht als Diktatur verunglimpft werden.“
Besorgnis wird darüber geäußert, dass zahlreiche Mitmenschen die zum Schutz vor der Pandemie erlassenen Regeln ignorieren und einige sogar zum „Widerstand“ aufrufen.“ Das schaffe Frust bei allen anderen, die sich seit langer Zeit an die Einschränkungen halten. „Wir erwarten daher von den Behörden, dass sie die von der Staatsregierung auf gesetzlicher Basis beschlossenen Regeln durchsetzen und es keinesfalls schweigend hinnehmen, wenn sie übertreten werden.“
Es gehe ganz besonders um den Zusammenhalt in der Gesellschaft, um die Solidarität zwischen Jungen und Alten, Gesunden und Kranken. „Wir rufen deshalb alle, die aus Sorge um ihre Freiheitsrechte und Angst um ihre wirtschaftliche Existenz auf die Straße gehen, auf, sich nicht von Gegnern und Feinden unserer freiheitlichen Demokratie missbrauchen zu lassen.”
Die Aktion laufe noch für eine unbestimmte Zeit weiter, so Möller abschließend. Auch in einigen Schwandorfer Geschäften liegen Unterschriftenlisten aus, mit denen sie unterstützt werden kann.

Cookie Consent mit Real Cookie Banner