REGENSBURG (sr). Franz Bauer hat in seiner Promotion gezeigt, dass Deutschland mit bestimmten Verhaltensänderungen eine Klimaneutralität erreichen kann. Der Absolvent der OTH Regensburg hat berechnet, dass die Treibhausgasemissionen so um 97 Prozent bis zum Jahr 2050 gesenkt werden könnten.
Eigentlich beschäftigen sich Studierende der OTH Regensburg im Master Electrical and Microsystems Engineering in ihren Abschlussarbeiten zumeist mit technischen Anlagen. Franz Bauer, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Forschungsstelle für Energienetze und Energiespeicher (FENES), jedoch, hat sich in seiner kooperativen Promotion an der OTH Regensburg und Friedrich-Alexander-Universität (FAU) Erlangen-Nürnberg auf die Minderung des Klimawandels durch verhaltensbezogene Maßnahmen konzentriert. „Aktuell stehen vermehrt die technischen Maßnahmen im Kampf gegen den Klimawandel im Vordergrund. Ohne die geht es nicht. Jedoch kostet es volkswirtschaftlich gesehen mehr, wenn wir rein auf Technik setzen. Wir könnten die Klimaziele einfacher erreichen, wenn wir unser Verhalten ändern“, so Bauer.
Seine Dissertation mit dem Titel „Analyse von Suffizienzpotenzialen im Kontext einer nachhaltigen Transformation des deutschen Energiesystems anhand eines sektorübergreifenden Optimierungsmodells“ hat Bauer nicht nur mit Auszeichnung summa cum laude abgeschlossen, sie wurde sogar für den Promotionspreis der Technischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) Erlangen-Nürnberg nominiert.
Bauer untersuchte in seiner Arbeit, die von Prof. Dr.-Ing. Jürgen Karl (FAU) sowie Prof. Dr.-Ing. Michael Sterner (OTHR) betreut wurde, den Einfluss verschiedener Suffizienzmaßnahmen auf die Treibhausgasemissionen und den Energiebedarf in Deutschland. Im Kontext des Energiesystems ist Suffizienz definiert als Änderung in individuellen Konsummustern, um innerhalb der ökologischen Tragfähigkeit der Erde zu bleiben. Suffizienzmaßnahmen werden daher auch als Verhaltensänderungen bezeichnet, die darauf abzielen, den Energiebedarf auf ein nachhaltiges Niveau zu begrenzen oder zu reduzieren.
Energiebedarf lässt sich durch Verhaltensänderung drastisch reduzieren
Für seine Dissertation entwickelte der gebürtige Vilshofener ein umfangreiches Energiesystemmodell, das sämtliche Erzeugungs- und Verbrauchssektoren in Deutschland beinhaltet. Durch die Implementierung von Verhaltensänderungen kombiniert mit technischen Defossilisierungsoptionen in das Modell konnte er die Effekte verschiedener Maßnahmen für das Erreichen ambitionierter Klimaziele herausarbeiten. Werden zusätzlich zu technischen Strategien wie Effizienzsteigerungen oder erneuerbaren Energien Suffizienzmaßnahmen umgesetzt, kann der Endenergiebedarf verglichen mit dem Jahr 2019 um 55 Prozent bis zur Jahrhundertmitte reduziert werden. Zudem ist es möglich, die Treibhausgasemissionen um 97 Prozent gegenüber 1990 auf 27 Millionen metrische Tonnen CO2-Äquivalente im Jahr 2050 zu senken. Dies reduziert die notwendige Menge an Kohlenstoffsenken, damit eine Klimaneutralität gemäß Klimaschutzgesetz erreicht werden kann.
„Meine Berechnungen sind auf Deutschland bezogen und basieren darauf, dass alle Menschen ideal suffizient handeln. Das ist natürlich unrealistisch, zeigt aber das maximale Potential auf“, so Bauer. Bei den Verhaltensänderungen bringt Bauer das klassische Beispiel des Wäschetrockners. Der brauche extrem viel Energie, die Wäsche im Garten aufzuhängen wäre das suffiziente Verhalten. „Dafür brauche ich aber Platz und mehr Zeit. Es ist nicht so bequem“, sagt Bauer. Daneben seien auch das eigene Konsumverhalten und die Mobilität Punkte, die das Potential haben viel Energie einzusparen.
Argumente wie „andere Länder verbrauchen aber mehr Energie“ lässt Bauer im Übrigen nicht gelten: Der globale Norden habe einen wesentlich höheren Energieverbrauch im Vergleich zu Ländern des globalen Südens. Es sei sozial nicht gerecht, dass wir so viel Energie verbrauchen.
Den größten Beitrag unter den Suffizienzmaßnahmen zur Rettung des Klimas leistet nach seinen Erkenntnissen und vieler weiterer Studien die Ernährung. „Bezüglich der Emissionen hat die Ernährung den größten Effekt, das ist wissenschaftlich belegt. Unsere Ernährung basiert stark auf tierischen Produkten, welche hohe Mengen Treibhausgase verursachen. Tierfutter muss angebaut, Felder gedüngt werden und die Tiere erzeugen Emissionen durch Verdauungsprozesse. Eine pflanzenbetonte bzw. vegane Ernährung macht den Unterschied“, so Bauer.
Ein spannendes weiteres Ergebnis von Bauers Dissertation: Eine Änderung des individuellen Wohnverhaltens weist die geringsten Einsparungen auf, da der Energiebedarf für Gebäude durch energetische Sanierung und effiziente Heizungsanlagen in Zukunft auf ein sehr niedriges Niveau gesenkt werden kann.
Verhaltensänderungen würden rund 42 Milliarden Euro pro Jahr sparen
Die Untersuchungen zeigen weiterhin, dass Suffizienzmaßnahmen die volkswirtschaftlichen Gesamtsystemkosten der Energiewende um rund 42 Milliarden Euro pro Jahr im Vergleich zu einer Transformation des Energiesystems ohne Verhaltensänderungen reduzieren können. Insgesamt verdeutlichen die Ergebnisse der Dissertation, dass der größtmögliche Beitrag zu einer nachhaltigen Transformation des Energiesystems durch das Zusammenspiel von Effizienzmaßnahmen, erneuerbaren Energien und Suffizienzmaßnahmen erzielt werden kann.
Dr. Franz Bauers akademische Karriere begann im Jahr 2009 mit dem Bachelorstudium Regenerative Energien und Energieeffizienz an der OTH Regensburg. Zuvor hatte er nach der Hauptschule als Konstruktionsmechaniker gearbeitet und dann das Abitur nachgeholt. Da er ein tieferes Verständnis davon erhalten wollte, was hinter den Maschinen steckt, entschied er sich für ein Studium an der OTH Regensburg. Seit 2015 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter bei FENES und hat sich im Rahmen des mehrjährigen Kopernikus-Projekts P2X des Bundeministeriums für Bildung und Forschung auf Power-to-X-Technologien und insbesondere auf die Modellierung von Energiesystemen spezialisiert. Bauer bleibt der Hochschule auch nach seiner Promotion treu. Er wird seine Expertise weiterhin bei FENES als wissenschaftlicher Mitarbeiter (Postdoc) einbringen. Im Projekt IMA-GH2 wird er sich auf das Thema Wasserstoff konzentrieren und vor allem darauf, wie der Hochlauf beschleunigt werden kann.