In der Krise: Viel Lob für Krankenhaus-Team, Patienten und Bevölkerung

Interview mit Dr. Martin Gregor, Oberarzt Innere Medizin an der Asklepios Klinik im Städtedreieck

BURGLENGENFELD (sr). „Wir waren vorbereitet, wir haben alles gut im Griff“, ist in der Corona-Krise der beruhigende Tenor aus der Asklepios Klinik im Städtedreieck. Was aber genau im Krankenhaus passiert, wenn ein Patient mit COVID 19-Verdacht aufgenommen wird – darüber gibt Dr. Martin Gregor im Interview mit dem freien Journalisten Bernhard Krebs Auskunft.

Oberarzt Dr. Martin Gregor
(Foto: Uwe Moosburger)

Bernhard Krebs: Sehr geehrter Herr Dr. Gregor, könnten Sie kurz den Ablauf in der Klinik skizzieren, wenn ein Patient mit Verdacht auf eine COVID-19-Infektion bei ihnen ankommt?

Dr. Martin Gregor: Ob vom Hausarzt geschickt, vom Rettungsdienst gebracht oder in Eigeninitiative – die Patienten werden in der Notaufnahme aufgenommen. Wir haben dazu neben der vorhandenen Notaufnahme eine zweite, separate Notaufnahme nur für Patienten mit Verdacht einer Coronavirus-Infektion eingerichtet. Danach kommen die „Verdachtsfälle“, sofern sie nicht sofort auf die Intensivstation müssen, auf die Station „Innere Medizin.

Auf unserer Station werden die Patienten untersucht und – falls sich der Verdacht bestätigt – auch behandelt. Ein geringer Teil der Patienten muss in der Folgezeit wegen einer Verschlechterung des Zustandes von der Intensivstation mit ihrem Chefarzt Dr. Michael Schütz übernommen und dort häufig (nicht immer!) auch beatmet werden, die anderen werden bei geringen oder gar keinen Symptomen in die häusliche Quarantäne entlassen.

Krebs: Wie lange dauert es eigentlich, bis man ein Testergebnis hat? Und wie lange bleiben Patienten in der Regel bei Ihnen auf der Station?

Gregor: Ein Ergebnis haben wir nach etwa 24 Stunden. Wenn der Patient nicht auf die Intensivstation muss, bleibt er bei schwereren Fällen zwischen zehn und vierzehn Tagen bei uns, bei geringeren Beschwerden kann er auch ambulant behandelt werden.

Krebs: Wie sieht die Therapie aus?

Gregor: Grundsätzlich gilt: Außer Sauerstoff gibt keine gesicherte, eindeutig wirksame Therapie. Insofern handelt es sich um individuelle Heilversuche. Wir können uns nicht an Leitlinien orientieren, da es viel zu wenig wissenschaftlich gesicherte Daten der Behandlung gibt. Es ist ärztliches Handeln gefragt.

Selbstverständlich haben wir die zahlreichen Artikel und Fachbeiträge der internationalen Medizinliteratur über neueste Entwicklungen und Erkenntnisse im Blick. Zudem stehen wir mit anderen Abteilungen regional, national und international im Austausch, die gegenüber Deutschland einen Erfahrungsvorsprung durch die Behandlung großer Fallzahlen haben – und versuchen daraus, die besten Konzepte für unsere Patienten zu destillieren. Alles ist im Fluss und die Erkenntnislage kann sich täglich ändern.

Krebs: Wie sieht es angesichts der Krise mit den Kapazitäten im Krankenhaus aus?

Gregor: Zuallererst haben wir die Organisation der neuen Situation angepasst und die Kapazität der Intensivstation erweitert. Neben der Notaufnahme wurden auch die Stationen weitgehend umstrukturiert, so dass COVID-19-Patienten von gleichbleibenden Stationsteams behandelt werden. Im Bereich mit den Verdachts- und bestätigten Fällen sind aktuell ein Oberarzt, zwei bis drei Assistenzärzte, 30 Krankenpflegerinnen und Krankenpfleger, zwei Servicedamen, die sich u.a. um die Verpflegung kümmern, sowie zwei Damen vom Reinigungsdienst tätig.

Generell gilt: Mit Corona sind praktisch alle Ärzte beschäftigt, und zwar nicht nur auf unserer Station, in der Notaufnahme oder in der Intensivstation. Auch die Kolleginnen und Kollegen auf den anderen Stationen müssen alle wachsam bleiben und Patienten bei geringstem Verdacht testen. Es ist ja möglich, dass ein Patient ursprünglich wegen einer anderen akuten Erkrankung wie Herzinfarkt oder Schlaganfall eingeliefert wird und erst später COVID-19-Symptome zeigt. Ein sensibles und sehr wirksames Sicherungsnetz ist hier die tägliche Besprechung aller internistischen Oberärzte mit Chefarzt Dr. Zäch. Hier beleuchten und diskutieren wir alle Fälle, hier werden auch die verschiedenen Vorschläge zur Diagnostik und Therapie vorgebracht und abgewogen.

Krebs: Wie ist die Stimmung in Ihrem Team?

Gregor: Natürlich befinden wir uns alle in einem Ausnahmezustand. Man könnte sagen, wir haben das ganze Krankenhaus organisatorisch umgebaut. Aber alle, ob medizinisches oder nicht medizinisches Personal, zeigen sich hoch motiviert. Es ist sehr beeindruckend und nicht hoch genug wertzuschätzen, wie souverän sie die neuen Arbeitsbedingungen bewältigen und mit der Situation umgehen. Beispielhaft ist auch die Umsetzung der neuen Distanzierungsregeln im täglichen Berufsalltag – eine komplett neue Erfahrung, wenn Teams „auf Abstand“ gehen müssen. Alles, was man über Teambuilding gelernt hat, muss auf den Kopf gestellt werden.

Besonders erwähnen möchte ich, dass sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter täglich der Gefahr von eigener Ansteckung aussetzen. Deshalb müssen sie sich mit einer speziellen Ausrüstung (z.B. FFP3-Masken, Visiere) schützen, was die Arbeit deutlich erschwert und oft eine zusätzliche physische Herausforderung darstellt.

Gerade der psychische Faktor, mit dem alle Mitarbeiter tagtäglich umgehen müssen, wird, glaube ich, in der allgemeinen Beurteilung der Anstrengungen noch gar nicht genug gesehen. Wir sind es gewohnt, dass wir mit infektiösen Erkrankungen umgehen, in dieser Dimension hat das jedoch noch keiner von uns erlebt. Dies ist nicht nur eine Belastung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sondern auch für deren Familien.

Krebs: Sehr geehrter Herr Dr. Gregor, die Solidaritäts- und Dankesbekundungen aus der Bevölkerung für das Krankenhaus-Team sind groß …

Gregor: … und nicht nur das. Was uns genauso wichtig ist: Die Bevölkerung akzeptiert unsere Empfehlungen/Angebote wie Telefonsprechstunden und Maßnahmen wie das Besuchsverbot – und zeigt großes Verständnis. Das bedeutet für uns eine riesige Hilfe in dieser schweren Zeit. Auch Geschenke, Blumen oder Stofftiere, die plötzlich vor der Tür stehen oder die Mithilfe bei speziellen Aktionen signalisieren uns die Dankbarkeit der Bevölkerung – und motivieren uns dadurch noch mehr.

Es freut mich außerdem sehr, dass die Patienten verstanden haben, dass manche geplante Eingriffe verschoben wurden, um die weitere Virusverbreitung zu vermeiden. Nichtsdestotrotz bitten wir unsere Patienten, dass sie sich mit akuten Beschwerden bei uns melden, so dass keine lebensbedrohlichen Erkrankungen verpasst werden.

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