INGRID LIEZ …
Kleiner Schock am frühen Morgen: Das Autohaus, wo ich meinen Wagen gekauft habe, schließt für immer die Pforten – wegen Insolvenz. Wo soll ich das Auto jetzt zu den vorgeschriebenen Serviceleistungen hinbringen? Der nächste entsprechende Händler ist 30 km weit weg.
„Leider muss man sich bei allen Herstellern auf weniger Händler und entsprechend weitere Wege einstellen“, lese ich in einem Forum bei www.motor-talk.de. „Der gesamte Markt sortiert sich neu. Kleinere Händler sterben, weil sie die immer höheren Anforderungen nicht finanzieren können. Um dies zu tun, müssten sie mehr Autos verkaufen. Dies wird aber immer schwieriger, weil die Leute nach dem billigsten Angebot suchen. Dann wird bei einem großen entfernten Händler gekauft. Die gesamte Entwicklung wird zusätzlich noch durch Onlinevertrieb befeuert.“
Mittlerweile fällt es auf: Wo man hinschaut in Deutschland – die Wirtschaft schwächelt und es „hagelt“ Insolvenzen. Der große Autozulieferer WKW mit den Standorten in Velbert und Wuppertal ist insolvent, ein Deal mit einem möglichen US-Investor ist geplatzt. WKW produziert insbesondere KfZ-Zierleisten, aber auch Funktionsbauteile.
Speziell VW und Mercedes setzten häufig auf Produkte des Unternehmens. Tausende Arbeitsplätze sind in Gefahr, ebenso wie bei der Firma ZF in Schweinfurt, die E-Motoren herstellt. Hier will man gleich haufenweise Arbeitsplätze abbauen, 6500 Mitarbeiter haben protestiert, berichtet www.infranken.de.
Ebenso ist die 1915 gegründete Firma Johann Leimbach GmbH aus Elberfeld zahlungsunfähig. Man ist auf der Suche nach einem Investor, die etwa 100 Mitarbeiter hätten noch Grund zur Hoffnung, heißt es in der Westdeutschen Zeitung.
Das Unternehmen ist auf Maschinen für die Produktion von Kabeln spezialisiert. Eine weiterer Autozulieferer meldete bereits Anfang August Insolvenz: Die Federnfabrik Erwin Lutz mit Sitz bei Reutlingen, gegründet 1966, hier verlieren 20 Menschen ihre Arbeit. Die Krise bei VW veranlasst die Bunderegierung wohl zum Eingreifen, die Kleineren, die als Zulieferer doch eigentlich Voraussetzung und Grundlage sind, bleiben auf der Strecke. VW beschäftigt allerdings deutschlandweit 120.000 Menschen, von denen jetzt 30.000 auf der Kippe stehen sollen. Angesichts rückläufiger Umsätze schließen Hardliner im Konzern betriebsbedingte Kündigungen nicht mehr aus. Erstmals in der Geschichte VWs drohen Werksschließungen in Deutschland. Am letzten Montag hat sich VW bei einem virtuellen „Autogipfel“ mit Vertretern der Branche sowie dem Bundeswirtschaftsminister getroffen. Man will sich nun für eine E-Auto-Kaufprämie einsetzen, jedoch: „Keine Schnellschüsse“, hieß es leider.
Nicht nur die sinkenden Absatzzahlen und die E-Mobilität, sondern auch Bürokratismus, hoher Kostendruck und die Konkurrenz aus China gehören zu den Problemen der Branche. Schuld ist logischerweise ebenso die schlechte Wirtschaftslage im Land, denn wie sollen die Menschen neue Autos kaufen, wenn auch sonst alles nur ungeheuer teuer ist?
„Die Regierung muss weg“, forderte der ehemalige Trigema-Chef Wolfgang Grupp auf einer Medienveranstaltung. Christian Lindner solle die Regierung verlassen, damit es zu Neuwahlen komme. Grupp glaubt, dass die FDP wieder mehr Stimmen erhalte als zuletzt in Ostdeutschland, wenn sie aus der Koalition von „Sesselklebern“ herausgehe.
Damit hat er wohl Recht, denn es ist geradezu unverantwortlich, den lahmen Schlinger- und Zöger-Kurs weiter fortzusetzen. Der FDP-Vizevorsitzende Wolfgang Kubicki hat der Ampel eine Frist von drei Wochen gesetzt, um Basis-Probleme in der Wirtschafts- und Migrationspolitik in den Griff zu bekommen. „Entweder finden wir in den nächsten drei Wochen einen gemeinsamen Nenner, oder es macht keinen Sinn mehr, an dieser Koalition mitzuwirken“, sagte Kubicki letzten Sonntag bei WELT TV.
Wenn es jedenfalls so weitergeht wie bisher, wird das Suchen einer neuen Werkstatt für mein Auto bald eines der geringsten Probleme sein.