Diesmal habe ich mich mit Diana Casallas-Gründing unterhalten, die vor über 20 Jahren von Kolumbiens Hauptstadt Bogotá nach Burglengenfeld zog. „Meine Geschichte ist nichts Besonderes“, schrieb mir die 49-Jährige, bevor ich mich mit ihr traf. Und sie meinte damit, dass ihre Geschichte exemplarisch sei für die vieler anderer Einwanderer.
Es war die Liebe, die Diana mit 26 Jahren nach Deutschland führte. Aber vielleicht auch nicht nur die Liebe. Dianas Situation in Kolumbien war damals, als sie ihren Mann kennenlernte, nicht einfach. Ihre Mutter war verstorben, darauf folgte der Tod ihres Bruders. Das Geld war knapp und um sich ihr Studium leisten zu können, musste Diana den ganzen Tag arbeiten. Zu den Vorlesungen ging sie am Abend und samstags.
Da trat ihr Mann in ihr Leben, ein Burglengenfelder, der gerade auf Geschäftsreise in Bogotá war. Er und Diana verliebten sich und es war bald klar, dass Diana mit ihm nach Deutschland gehen würde. „Er war mein Retter!“, meinte sie. In den nächsten eineinhalb Jahren pendelten die beiden zwischen Kolumbien und Deutschland, heirateten und zogen schließlich nach Burglengenfeld. Da war Diana bereits schwanger.
Dass die Familie ihres Mannes stadtbekannt war, erleichterte ihr einiges. “Viele Leute akzeptierten mich, weil ich zu dieser Familie gehörte“, erzählte Diana. Trotzdem: „Die erste Zeit war allerdings hart.“ Diana konnte kein Wort Deutsch. Auch kein Englisch. Sie fühlte sich allein. Ihre Schwiegerfamilie war zwar da und unterstützte sie immer, aber die Kommunikation war schwierig und Diana reichten die wenigen familiären Kontakte einfach nicht. Sie kam aus einer Großfamilie, hatte selbst acht Brüder, 15 Nichten und Neffen, 17 Tanten und Onkel sowie 72 Cousins und Cousinen. In Kolumbien verabredete man sich nicht so wie hierzulande, die Leute kamen einfach vorbei. Niemand lebte allein. Diana war regelrecht schockiert darüber, wie einsam manche Menschen hier lebten.
Auf das erste Kind folgte ein zweites. Diana begleitete ihren Mann oft mit den Kindern auf Dienstreisen, aber manchmal machte ihr kolumbianischer Pass den Reiseplänen einen Strich durch die Rechnung. Einmal, als Diana mit den Kindern zu Hause blieb, während ihr Mann unterwegs war, wurde sie für das Kindermädchen ihrer eigenen Kinder gehalten. „Jetzt reicht’s!“, dachte sie sich damals. Das würde ihr nie wieder passieren, dass sie für ein Au-pair-Mädchen gehalten werden würde. Sie wollte, dass die Leute sie kannten. Sie wollte Kontakte!
Außerdem wollte sie die deutsche Staatsbürgerschaft. Diana tat also alles, um die Sprache zu lernen und sich zu integrieren. Sie wurde Zumba-Trainerin, trat dem Elternbeirat bei, wurde Klassenelternsprecherin und Elternbeiratsvorsitzende, engagierte sich in der Kirche. Sie absolvierte den Einbürgerungstest und erhielt die deutsche Staatsbürgerschaft.
Beruflich fasste Diana zuerst als Angestellte in der Post-Filiale Fuß. Später übernahm sie die Filiale. In einer Phase der beruflichen Neuorientierung machte Diana 2023 eine Ausbildung zur Seniorenbetreuerin.
Ihren neuen Beruf übt Diana nun im Burglengenfelder Altenheim aus. Der Kontakt zu den Menschen, den sie so sehr liebt, ist hier mehr als gefragt. Es bedeutet den Bewohnern des Seniorenheims unglaublich viel, gesehen, gehört und berührt zu werden: „Die alten Leute brauchen das!“ Gebraucht werden – das ist es wohl, was auch Diana braucht. Und so ist ihr neuer Job ein Geben und Nehmen, und nicht einfach nur ein Job.
Über mangelnde Bekanntheit kann Diana sich inzwischen nicht mehr beklagen. „Du bist bekannt wie ein bunter Hund!“, sagt Dianas Mann immer zu ihr. Diana ist also nicht nur beruflich angekommen in Deutschland. Trotzdem wird sie immer zwei Heimatländer haben und sich zu keinem davon voll und ganz zugehörig fühlen. „Hier in Deutschland bin ich noch immer Ausländerin und habe das Gefühl, immer ein bisschen mehr geben zu müssen als andere. Vielleicht müsste ich das auch gar nicht, aber so ist eben mein Charakter“, sagt Diana. Sie ist sehr dankbar für die vielen Möglichkeiten, die Deutschland ihr bietet.