INGRID LIEZ …
„Gaspreisbremse“ – ehrlich gesagt, können viele dieses Wort, das sprachästhetisch einem Ungeheuer gleicht, nicht mehr hören.
Darüber hinaus „nervt“ das Wort auch deshalb, weil die Regierung scheinbar endlos darüber diskutiert und zu keinem wirklich schlüssigen Ergebnis kommt, dabei wäre es jetzt Zeit: Die Zahl der Menschen, die nicht mehr wissen, wie sie den Gasabschlag und alle weiteren Rechnungen bezahlen sollen, wächst immer weiter.
Gerade jetzt im November wird es richtig eng, denn da kommen die Jahresrechnungen für Strom und Gas, und außerdem buchen bereits viele Versicherungen ihre Jahresbeiträge ab. Wovon sollen noch Lebensmittel und andere Dinge des täglichen Gebrauchs gekauft werden?
„Da liegt man nachts wach im Bett und rechnet immer weiter“, sagt eine Freundin. „Wenn ich noch die letzten 300 Euro vom Sparbuch abhebe, reicht es bis Monatsmitte, und dann greift der Dispo. Da kann ich aber nicht weiter als bis 500 Euro gehen. Ich kann den Kindern noch nicht mal Winterschuhe kaufen, und Geschenke zu Weihnachten können sie sich abschminken.“
Gott sei Dank gibt es häufig noch Freunde, die kurzfristig aushelfen. Aber mal ehrlich: Viele Menschen werden ins Hartz-IV-System fallen, was die Staatskasse wieder belastet. Und wenn nichts mehr gekauft werden kann, belastet das die Wirtschaft und leistet Firmen-Insolvenzen Vorschub. Der Staat müsste JETZT handeln, denn viele sind jetzt schon am Limit.
Fakt ist, dass der Staat viel höhere Steuereinnahmen hat, wenn alles teurer ist. Von daher kann er sich die angesetzten 200 Milliarden zur Krisenentlastung gut leisten, zumal neue Kredite aufgenommen werden. Fakt ist aber auch, dass sich beim Gaspreis, der sich nicht nur durch den Krieg in der Ukraine, sondern auch durch eine erhöhte Nachfrage und höhere Abgaben wie dem CO2-Preis seit einem Jahr mehr als verdoppelt hat, die sogenannte Gewinnmarge der Gasunternehmen beträchtlich gesteigert hat. Laut www.forbes.com setzt sich der Gaspreis wie folgt zusammen: CO2-Preis 5%, Steuern und Abgaben 20%, Netzentgelte 10% sowie 65% Gas-Einkauf und Vertrieb. Warum ist es für den Staat so schwierig, wie in anderen Ländern auch, endlich den Gaspreis zu deckeln und Gewinnspannen vorzuschreiben? Beim Strompreis sollen sogar „Zufallsgewinne“ auf dem Strommarkt rückwirkend abgeschöpft werden, schreibt etwa t-online am 2.11.2022.
Seit ersten November sind die Pläne für die Gaspreisbremse nun konkreter: Sie soll ab März 2023 greifen, und mit ihr sollen Haushalte und kleine Unternehmen für 80% ihres bisherigen Verbrauchs einen Bruttopreis von nur 12 Cent/KWh zahlen, für die übrigen 20% gelte dann der Preis, wie er im Vertrag festgelegt wurde. Bei der Fernwärme betrage der garantierte Bruttopreis 9,5 Cent. Weil es so viel Kritik an dem späten Zeitpunkt gab, soll es weitere Entlastungen rückwirkend zum 1. Februar 2023 geben. Konkret ist das wohl noch nicht! Bei hohen Einkommen ab 75.000 € jährlich müsse die Entlastung versteuert werden. Mieter erhalten die Entlastung mit der nächsten Abrechnung – wie auch immer das dann aussehen mag.
In der Industrie ist die Preisbremse ab Januar geplant, der Garantiepreis beträgt hier 7 ct. für 70% der bisherigen Verbrauchsmenge. Zugegeben, die Wirtschaft muss gestützt werden, doch was machen Menschen, die das Geld schlichtweg nicht haben, um die Zeit bis zur Gaspreisbremse zu überbrücken?
Hier sieht der Staat Einmalzahlungen vor, außerdem müssten Verbraucher die Dezember-Abschlagszahlung an den Gasversorger nicht leisten. Wie das alles im Einzelnen aussehen wird, ist noch unklar.
Kurz gefragt: Wird diese Gaspreisbremse helfen? Ich denke, sie ist in ihrer Komplexität schlecht geeignet, um den Menschen die Angst zu nehmen, und sicherlich wird es etliche geben, die trotzdem nicht durch den Winter kommen bzw. insolvent gehen. Für diese Menschen bleibt dann leider nur der Weg ins Sozialamt. Für sie ist „Gaspreisbremse“ nur eine sinnlose Worthülse.