Endlich am Ziel !? – Ibrahim aus Syrien (Teil 3)

INA DECHANT …

Der junge Syrer Ibrahim lebt seit Oktober 2023 in Teublitz. In den Dezember-Ausgaben von LOKAL habe ich von seiner Flucht von Syrien nach Deutschland berichtet. Diesmal erzähle ich über die Erfahrungen, die er seit seiner Ankunft hierzulande gemacht hat, und von seinen Wünschen für die Zukunft.

Lesen Sie hier (Teil 2)

„Nachdem wir die deutsche Grenze überquert hatten, rief meine Begleiterin ihren Mann an, der sich bereits in Deutschland aufhielt“, berichtet Ibrahim.

Auf der fünfwöchigen Flucht von Athen nach Deutschland hatte ein verzweifelter Vater ihm seine Tochter anvertraut. Ibrahim sollte die syrische Frau sicher nach Deutschland bringen. Seine Verantwortung für die Syrerin endete mit der Ankunft in Deutschland und ihre Wege trennten sich.

„Ich nahm einfach den Zug in die nächstbeste, große Stadt“, erzählt Ibrahim weiter. In diesem Fall war das Heidelberg. Dort sprach er den Sicherheitsdienst am Bahnhof an. Er wollte zur Polizei, um seiner Meldepflicht nachzukommen. Der Sicherheitsdienst half ihm nicht weiter und so sprach er einen Passanten an. Dieser zeigte ihm die Polizeistation in der Nähe des Bahnhofs. Die Polizeibeamten erklärten ihm, wie Ibrahim zur nächsten Sammelunterkunft käme.

„Ich verbrachte die Nacht am Bahnhof und fuhr am nächsten Tag mit dem Bus ins Camp.“ Dort verbrachte Ibrahim seine ersten Wochen, bevor er in die nächste zentrale Unterkunft in Cham kam. Mitte Oktober zog er schließlich nach Teublitz in das Wohnhaus in der Dollingerstraße.

Ibrahims Meinung vom deutschen Rechtsstaat ist sehr positiv. „Hier bedeutet Polizei Sicherheit. Wenn man im Nahen Osten auf einen Polizeibeamten trifft, dann muss man sich fürchten.“ Er fügt hinzu: „Der deutsche Staat hat mich wie eine Mutter aufgenommen. Ich zolle ihm deswegen genauso viel Respekt wie einer Mutter.“
Das sagt Ibrahim, obwohl der deutsche Staat ihm und seinen Mitbewohnern teilweise auch sehr viel Geduld abverlangt und die bürokratischen Prozesse rund um Sprachkurse, Asylbescheide und Arbeitsgenehmigungen sich hinziehen.

Ibrahim hat seine Anhörung vor Gericht bereits vor einigen Monaten gehabt. Die Entscheidung über sein Asylverfahren steht aber nach wie vor aus. Auch eine Arbeitsgenehmigung und einen Platz in einem Sprachkurs hat er bis jetzt nicht bekommen. Das Warten ist mitunter sehr belastend für die jungen Syrer, die allesamt gerne Deutsch lernen und arbeiten würden. Auch für den Arbeitsmarkt im Städtedreieck wäre es hilfreich, wenn Ibrahim und die anderen jungen Männer leere Stellen besetzen könnten, anstatt die Zeit totzuschlagen.

Ibrahim beschwert sich aber nicht über seine Lage. „Es ist immer noch besser als in Syrien oder in Griechenland. Und auch besser als in den Sammelunterkünften.“ In der Dollingerstraße hätten sie alles, was sie brauchten. Ibrahim und die anderen Syrer wüssten vor allem zu schätzen, dass sie dort nicht mit vielen Nationalitäten unter einem Dach leben müssten. Die Homogenität bei der Herkunft sorge für ein weitestgehend konfliktfreies Zusammenleben. Auch wenn es manchmal schöner wäre, wenn man ganz für sich sein könne, hätte die Gemeinschaft doch auch ihre Vorteile. „Wir sitzen abends zusammen und spielen Karten. Wenn jemand ein Problem hat, helfen wir einander.“

Ibrahim erzählt uns von seinen Träumen und Plänen für die Zukunft. Am liebsten würde er Polizist werden. Dass dies ein hochgestecktes Ziel ist, weiß er natürlich. Erstmal stünden kleinere Schritte an: Ein Sprach- oder Alphabetisierungskurs, Arbeiten, eine eigene Wohnung. Und natürlich das Nachholen seiner Familie. Diese Ziele machen das Warten für ihn erträglicher. „Nach Syrien möchte ich nie wieder zurück“, meint er entschieden.

Zu einigen Nachbarn gibt es inzwischen guten Kontakt. „Wir wurden zum Kaffee eingeladen und haben einen gemeinsamen Ausflug nach Höllohe gemacht“, berichtet Ibrahim von den positiven Erfahrungen, die er nach dem etwas holprigen Start des Nachbarschaftsverhältnisses gemacht hat. Für die anfänglichen Ängste einiger Nachbarn habe er sogar etwas Verständnis. Dass sich die Vorurteile nicht bestätigen müssen, haben die letzten Monate aber bereits gezeigt. Hinter den Fremden von nebenan stecken Menschen. Menschen wie Ibrahim, die einfach nur ein normales Leben führen möchten.