Ibrahims Reise geht weiter – Flucht über die Balkanroute (Teil 2)

INA DECHANT …

(Teil 1)

Im Teil 1 ging es um Ibrahim, der aus Syrien und der Türkei nach Deutschland geflüchtet ist und nun zusammen mit anderen Geflüchteten seit Mitte Oktober 2023 in der Teublitzer Dollingerstraße wohnt. Hier auf LOKALNET wird die Geschichte seiner Flucht von der Türkei aus fortgesetzt.

„Wir sind acht Tage lang von Adana im Osten der Türkei bis Arriana gelaufen, einem griechischen Dorf nicht weit von der Grenze entfernt. Nur über die Grenze haben die Schlepper uns in einem Fahrzeug geschmuggelt, sonst mussten wir alles zu Fuß gehen,“ erzählt Ibrahim von dem beschwerlichen Weg, den er zusammen mit einer Gruppe weiterer syrischer Flüchtlinge auf sich nahm.

„Nach Arriana mussten wir weitere drei Tage laufen – bis in die Region um Thessaloniki. Die Zustände in den Camps dort waren wie in Syrien. Alles war schmutzig, überall waren Waffen und die Polizei wagte es nicht, die Gegend zu betreten.“ Der Dienst von Ibrahims Schleusern beinhaltete noch den Transport nach Athen und kostete insgesamt 3000 €.

In Athen endete Ibrahims Reise erst einmal. Er schlug sich als Küchenhilfe durch und stellte einen Asylantrag, der abgelehnt wurde. Ungefähr acht Monate verbrachte er in der Hauptstadt Griechenlands, bevor er in Richtung Nord-Westen weiterzog. „Ein verzweifelter Vater, den ich während meines Aufenthalts in Athen kennengelernt hatte, vertraute mir seine Tochter an. Ich sollte sie mit nach Deutschland nehmen, wo ihr Ehemann sich bereits aufhielt“, berichtet Ibrahim.

Und so machte er sich zusammen mit der jungen Frau auf den Weg: Ihre ersten Stationen waren Albanien, Kosovo und Serbien. An jeder Grenze zahlten sie Geld an Schleuser und fürchteten, erwischt zu werden. Letztendlich war die Flucht über die Balkanroute aber ein wohl organisiertes Geschäft. Tipps für die Weiterreise und Kontaktdaten von „Fahrern“ flogen ihnen meistens nur so zu. Kurzum: Man wollte die Geflüchteten nicht davon abhalten, das Land wieder zu verlassen.

Mehr Widerstand gab es an der EU-Außengrenze zu Ungarn: „Wir blieben mehrere Tage in einem Hotel in unmittelbarer Nähe der Grenze. Jeden Tag sahen wir dabei zu, wie Flüchtlinge versuchten, die Grenze zu passieren – erfolglos. Meistens kamen sie um einige Wertgegenstände leichter alle wieder zurück. Deswegen beschlossen wir, einen anderen Weg zu nehmen.“ Und zwar den über die serbisch-bosnische Grenze. Diese bestand aus einem Fluss. Ibrahim und seine Begleiterin ließen sich von einem Schleuserboot auf die andere Seite bringen. Dabei beobachteten sie, wie afghanische Flüchtlinge bei demselben Unterfangen erwischt wurden.

Dasselbe Schicksal erwartete sie an der nächsten Grenze zu Kroatien: „Wir und eine Gruppe von 30 weiteren Flüchtlingen wurden erwischt und verhaftet. In einem Bus brachte man uns zur Polizeistation. Dort mussten wir unsere Fingerabdrücke abgeben. Viele der Geflüchteten hatten Angst, dass sie nun in Kroatien bleiben müssten. Aber die Beamten beruhigten sie – das wäre nur eine Formalität.“

Schließlich wurden sie von den Grenzpolizisten bis fünf Kilometer vor die slowenische Grenze gefahren. Dort sollten Ibrahim und die anderen Flüchtlinge den Zug nehmen, um nach Slowenien zu gelangen. Das taten sie dann auch. Von Slowenien nach Italien nahmen Ibrahim und seine Begleiterin noch ein letztes Mal ein „Taxi“. Danach reisten sie nur noch in Zügen, was äußerst unkompliziert war. „Wir mussten uns nur Tickets kaufen. Grenzkontrollen gab es keine mehr.“

Von Italien reisten sie nach Basel in der Schweiz und verbrachten dort eine Nacht in einem Hotel. Am nächsten Tag gerieten sie am Bahnhof in eine Polizeikontrolle. Die Beamten interessierten sich vor allem dafür, ob Ibrahim und seine Begleiterin Drogen mit sich führten. Nachdem dies offensichtlich nicht der Fall war, gaben die Polizisten den syrischen Flüchtlingen Tipps zur Weiterreise nach Deutschland. „Wir sind dann mit dem Zug bis zur deutschen Grenze gefahren. Diese haben wir zu Fuß überquert.“

Insgesamt hat Ibrahim fünf Wochen für die Reise von Athen bis nach Deutschland gebraucht. Bis auf wenige Ausnahmen hat er dabei im Freien übernachtet. Wie Ibrahim seine Ankunft und ersten Monate in Deutschland erlebt, erfahren Sie in der nächsten LOKAL-Ausgabe am 27. Januar 2024 und hier auf LOKALNET.

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