Kunst, Kallmünz und Community
Migration ist eines der zentralen Wahlkampfthemen der anstehenden Bundestagswahl und man könnte glatt meinen, dass es nur noch um Zahlen geht, nicht aber um Menschen. In den nächsten Folgen möchte ich das Thema aus einer persönlichen Perspektive beleuchten. Ich treffe Menschen mit Migrationshintergrund, höre mir ihre Geschichten an und erfahre, was Integration für sie bedeutet.
Den Anfang macht Gabriela Rosas aus Kallmünz, die ursprünglich aus Mexiko stammt. Sie ist Künstlerin, Chorleiterin, Sprachvermittlerin – und vor allem ein fester Bestandteil der hiesigen Gemeinschaft. Wie hat sie ihren Platz hier gefunden, welche Hürden hat sie überwunden und wie hat es Gabriela von der Millionenstadt Mexiko City ins beschauliche Kallmünz verschlagen?
Als Pianistin und Künstlerin war sie schon immer von der deutschen Kultur fasziniert. Musiker wie Schumann, Autoren wie Brecht und Philosophen wie Nietzsche hatten es ihr schon während ihrer Jugend angetan. 2007 kam sie als 22-Jährige das erste Mal nach Deutschland. Sie belegte einen Sprachkurs an der Regensburger VHS und reiste durch Europa. „Das war alles total cool damals, ich war jung und es war meine erste große Reise“, schwärmt Gabriela von diesen Erfahrungen.
In den nächsten Jahren kehrte sie, während sie in Mexiko studierte, immer wieder nach Deutschland zurück. 2008 lernte sie in Regensburg einen Mann kennen, den sie 2017 schließlich heiratete. Von da an lebte sie ganz in Deutschland. Die Liebe zu ihrem Mann hielt nicht, dafür entstand aber eine neue: die zu Kallmünz.
Auch wenn mein eigener Migrationshintergrund nur darin besteht, dass ich vor elf Jahren als „Zuagroaste“ nach Kallmünz gezogen bin, hatte ich phasenweise das Gefühl, dass Gabriela meine eigene Geschichte erzählte: Heirat 2017, Scheidung derzeit am Laufen und eine große Dankbarkeit für dieses tolle Netzwerk, das wir anscheinend beide hier in Kallmünz haben. Liegt das nun an Kallmünz oder an unserer Kontaktfreudigkeit und Offenheit? Vielleicht ein bisschen an beidem.
Mit Gabrielas vielfältigem Schaffen hier im Ort wurde ihr sozialer Radius immer größer. Während sie an der Uni Regensburg einen weiteren Sprachkurs belegte und einen zweiten Masterstudiengang in vergleichenden Kulturwissenschaften abschloss, richtete sie ihr Atelier in der Vilsgasse ein. 2018 eröffnete sie es. Sie nutzte es nicht nur für ihr eigenes Schaffen, sondern nach und nach auch für Malkurse.
Ein Meilenstein für Gabrielas Integration war es, die Leitung des Kallmünzer Chors zu übernehmen. „Ich habe das Angebot einfach angenommen, obwohl ich kaum Erfahrung mit Chören hatte“, erzählt sie. Durch den Chor kam sie mit vielen Leuten aus dem Ort in Kontakt. Inzwischen hat sie noch eine Ausbildung zur Chorleiterin nachgelegt. Sie leitet nun auch den Schulchor, begleitet diverse Schulprojekte musikalisch und unterrichtet Flöte, Klavier und Ukulele. An der VHS Burglengenfeld gibt sie zudem Spanischunterricht.
Inzwischen gibt es viele Gründe, aus denen sie ihre Wahlheimat Kallmünz ihrer tatsächlichen Heimat vorziehen würde: „Ich genieße die Ruhe, die Präsenz der Natur und die Sicherheit hier. In Großstädten wie Mexiko City ist es immer chaotisch, hektisch, laut und schmutzig. Ich vermisse das überhaupt nicht.“ Was Gabriela außerdem liebt an Kallmünz: „Hier gibt es immer etwas zu tun!“ Zumindest für eine wie sie, die sich in diversen Projekten und Vereinen, als Mitglied des Bundesverbands Bildender Künstler/innen und als Ehrenamtliche im Asylhelferkreis engagiert. Seit letztem Jahr ist Gabriela außerdem Kinder- und Jugendbeauftragte des Marktes Kallmünz – und deutsche Staatsangehörige!
Sie schwärmt von der Community hier in Kallmünz. Gerade in der schwierigen Zeit nach der Trennung von ihrem Mann, in der sie – samt ihrem Atelier – umziehen musste, hat sie unglaublich viel Hilfsbereitschaft erfahren. „Die Leute haben gesehen, dass ich in einer Krise war. Sie waren für mich da. Dafür bin ich unglaublich dankbar!“