Kirche bald Schnee von gestern?

INGRID LIEZ …

Werden Sie in diesem Jahr an Weihnachten in die Kirche gehen? Für etliche Menschen ist der Besuch eines Weihnachtsgottesdienstes traditionell. Niemals im Jahr sind die Kirchen so stark gefüllt wie zum Christfest: Viele gehen dann in den Gottesdienst, die es sonst nie tun – die sogenannten „U-Boot-Christen“ (www.t-online.de). Woran das wohl liegen mag? Nachfragen im Bekanntenkreis ergaben, dass es in erster Linie um die Suche nach dem typischen „Weihnachtsfeeling“ geht – Lichterglanz, alte Lieder, das Erzählen der Geschichte von der Geburt Jesu im Stall.

Den beiden großen Kirchen in Deutschland haben viele endgültig den Rücken gekehrt, das besagt eine neue repräsentative Studie der evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Das ist traurig, doch eigentlich nicht verwunderlich angesichts von Missbrauchsskandalen, Schwierigkeiten bei der Akzeptanz der „Ehe für alle“ oder dem Festhalten an uralten starren Regeln wie dem Zölibat und den männlichen Machtstrukturen. 56 % der Menschen haben kein Interesse an Kirche mehr, unter den katholischen und evangelischen Kirchenmitgliedern trifft das auf 33% zu. Nur noch 13 % von ihnen gehen häufig zu Gottesdiensten oder beteiligen sich aktiv in den Kirchengemeinden. Diese Menschen sind im Durchschnitt 54 Jahre alt. Der Wunsch nach Veränderung in der Kirche ist bei Katholiken (96%) noch höher als bei Protestanten (80%).

2022 sind rund 900.000 Menschen aus der Kirche ausgetreten, 380.000 Evangelische, 523.000 Katholiken. 2023 wird es nicht besser kommen, wie bereits jetzt die Zahlen für die drei ersten Quartale dieses Jahres voraussehen lassen; www.yougov.de schätzt die Höhe der Austrittszahl insgesamt auf ca. 640.000 (wie 2021). Das ist dann im Zeitraum von 1953-2022 die zweit- oder dritthöchste Zahl von Austritten. Insgesamt für die Jahre 2021-23 also ein Mitgliederschwund von 3,3 Mio.!

Wenn dieser Trend sich fortsetze, werde der Anteil der christlich-konfessionell Eingebundenen in Deutschland schon 2024 unter 50% sinken, sagt Christopher Jacobi vom Sozialwissenschaftlichen Institut der EKD bei der Vorstellung der Studie. Die Halbierung der Mitgliederzahlen der evangelischen Kirche würden zudem nicht 2060, sondern schon 2040 erreicht.

Schon jetzt liegt die Zahl der Kirchenmitglieder, die sich einen Austritt demnächst vorstellen können, für beide Kirchen bei weit über 25%. Was sind denn konkret die Gründe für den hohen Glaubwürdigkeitsverlust der Kirchen – außer den oben schon genannten? Bei einer aktuellen YouGov-Umfrage gaben 43% der Befragten die Kirchensteuer als Grund für einen möglichen Austritt an.

Aktuell belaufen sich die Einnahmen der beiden Kirchen auf jährlich rund 13,1 Milliarden Euro. Man darf aber auch nicht vergessen, dass beide Kirchen wichtige gesellschaftliche Aufgaben u. a. mit ihren beiden großen Verbänden Caritas und Diakonie übernommen haben. Viele Seniorenheime, Krankenhäuser, Wohnheime, Flüchtlingsunterkünfte, Kindergärten, Krabbelstuben usw. werden von den Kirchen betrieben. Diese werden vom Staat zwar mitfinanziert, aber keine Kirche kann auf das Heer an Ehrenamtlichen verzichten, die sich unentgeltlich mit ihrer Arbeitskraft und ihren Ideen einbringen. Fiele dieses Engagement weg, hätte das weitreichende gesellschaftliche Konsequenzen, schon dann wäre „Kirche“ am Ende!
Kirche sollte sich verändern: Die katholische Kirche ist leider an Rom weisungsgebunden, allen Emanzipationsbestrebungen mit Maria 2.0 etc. zum Trotz.

Auch die evangelische Kirche bietet in Sachen Veränderung noch viel Spielraum. Starre Strukturen aufzulösen, sowie eine ehrliche und rückhaltlose Aufklärung aller Missbrauchsvorwürfe sind hier Stichwörter. Nach wie vor ist die Bibel als „das Buch der Bücher“ hochaktuell, und es sollte nicht aufgehört werden, über sie zu diskutieren. Alles, was wir für ein liebevolles Zusammenleben brauchen, steht im Neuen Testament geschrieben. Der Inhalt sollte von Sprachwissenschaftlern sowie Historikern weiter für alle Menschen aufgeschlüsselt und ihre Sprache weiter modernisiert werden.

Leere Gotteshäuser sind das geringste Problem, meine ich. Die Lehre von Jesus Christus, von Liebe, Frieden, Verständnis und Verzeihen zwischen uns Menschen, die darf nicht untergehen. Ich wünsche Ihnen ein frohes, friedliches und gesegnetes Weihnachtsfest!

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