Eine gesetzlich legitimierte Sauerei

INGRID LIEZ …

In Deutschland isst man gerne Schweinefleisch, und natürlich soll es möglichst billig sein. Damit dies so bleibt, muss kostengünstig produziert werden. Wie geht das? Viel zu oft zum Leidwesen der Tiere.

In den Schweinehaltungsbetrieben werden die Muttersauen in der Regel künstlich besamt. Sind sie trächtig, kommen sie etwa eine Woche vor dem „Abferkeln“ bis zu vier Wochen danach einzeln in den sogenannten Kastenstand. Das ist ein durch Gitter abgetrennter enger Bereich, in dem die Sau sich kaum bewegen kann, weder laufen oder sich umdrehen und sich auch nicht richtig hinlegen. Warum? Damit sie ihre Ferkel beim Liegen nicht erdrückt und auch die Stallbetreuer vor eventuellen Angriffen im Rahmen des stark ausgeprägten Mutterinstinkts geschützt sind. Das bedeutet, die Sau ist etwa fünf Wochen pro Geburtszyklus zur Bewegungslosigkeit verdammt, bei durchschnittlich 2,4 Geburtszyklen pro Jahr sind das 12 Wochen im Jahr. Alle Grundbedürfnisse des Tieres sind in dieser Zeit stark eingeschränkt – sowohl das Sozialverhalten, Ruhen und Schlafen, die Nahrungsaufnahme, Ausscheidung, Körperpflege und „Erkundung“, kritisiert die Deutsche Juristische Gesellschaft für Tierschutzrecht in einer Stellungnahme zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft zur Siebten Verordnung zur Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung. Seit 1988 gelte in Deutschland die Anforderung an den Kastenstand, dass die Sau in Seitenlage die Gliedmaßen ungehindert ausstrecken können muss, denn nur dann ist eine vollständige Entspannung und der wichtige REM-Schlaf gewährleistet. Das wurde im Jahr 2016 durch das Bundesverwaltungsgericht bestätigt und werde in der Realität ohnehin gröblich missachtet, so die DJGT.

Im Interesse der Fleischerzeuger soll das Ganze sogar jetzt noch verschärft werden: Der entsprechende Passus im Gesetz soll gestrichen werden, die Kastenstände dürfen noch enger werden! Ist unser ungehemmter Fleischgenuss dieses Leid der Tiere wert?
Die Tierschutzvereine kämpfen gegen die Verschärfung des Gesetzes, den Kastenstand als Haltungsform generell sowie (wenigstens) für eine Verkürzung der Fixationszeit. In Schweden zum Beispiel sind Kastenstände seit 1988 verboten, in der Schweiz ist sie bis höchsten zehn Tage nach dem Wurf erlaubt. Schwedische Studien belegen jedoch auch, dass bei einer Haltung ohne Fixation keine erhöhten Verluste von Ferkeln durch Erdrücken entstehen – zumal dies ohnehin nur dadurch geschieht, weil die Sauen so groß und schwer gezüchtet worden sind.

In Deutschland bleibt man vorerst bei einer brutalen, nicht artgerechten Tierhaltung im Sinne der profitorientierten Schweinemastbetriebe. Wegen der Verschlechterung für die Tiere in der Siebten Verordnung zur Änderung der TierSchNutztV droht der Deutsche Tierschutzbund nun der Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner mit einer Strafanzeige wegen des Verdachts auf Meineid und Tierquälerei. „Mit ihrem Amtsantritt hat Klöckner geschworen, das Grundgesetz zu wahren, das sie mit dem Verordnungsentwurf zur Sauenhaltung wissentlich verletzt. Wenn die Verordnung wirklich kommt, müssen wir von einem Meineid ausgehen – und von gesetzlich legitimierter Tierquälerei“, so äußert sich Thomas Schröder, Präsident des DTB in einer Presseerklärung. Er erkennt in der Tierschutzpolitik der Bundesregierung nach der Verlängerung der betäubungslosen Ferkelkastration den nächsten Angriff auf den Tierschutz. Stillstand und Rückschritt der Großen Koalition in Sachen Tierschutz zeigten sich beispielsweise auch in dem immer noch nicht ordnungsrechtlich gesetzten Datum für ein Ende der Kükentötung und in dem unzureichenden staatlichen Tierwohllabel. Schröder hofft, dass es zurzeit in den noch andauernden Beratungen der Länder in Sachen Kastenhaltung noch zu einer Kurskorrektur kommt.

Die Menschen essen gerne Fleisch – doch würden wir das alle in Zukunft mehr in Maßen tun und damit auch einen höheren Preis akzeptieren, gäbe es keine Tierquälerei. Längst gibt es tiergerechte Abferkelsysteme in einer artgerechten Haltung. Mal ehrlich – ich möchte kein Fleisch essen, das von gequälten Tieren kommt!

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