Verlängert: Haustierboom im Lockdown

INGRID LIEZ …

So süß … und wohin damit nach dem Lockdown?

„Ich habe den Eindruck, es gibt hier bei uns viel mehr Hunde als vor einem Jahr!“, sagte meine Nachbarin neulich zu mir und beäugt ungehalten das frische kleine Häufchen auf ihrem Bürgersteig. Ich kann ihr nur zustimmen. Von mindestens zwei neuen, großen (!) Vierbeinern in der Nähe weiß ich, der eine läuft sogar immer ohne Leine …

Fakt ist, viele Menschen schaffen sich jetzt im Lockdown ein Tier an, weil sie mehr Zeit haben und sich selbst verwirklichen oder ihre Kinder beschäftigen wollen. Ob Hund, Katze oder Kaninchen: Wie so oft, muss das Tier ausbaden, wenn der Mensch gedankenlos handelt. Dabei kann man die Leute verstehen: Den Wunsch nach einem tierischen Gefährten, der in Zeiten des Lockdowns Nähe bringt und für Abwechslung sorgt, hält an.

Doch die Auswirkungen spüren und fürchten der Deutsche Tierschutzbund und die ihm angeschlossenen Tierschutzvereine und Tierheime vor Ort, so informiert auch eine aktuelle Pressemitteilung des Dt. Tierschutzbundes. Auch wenn ein gestiegenes Interesse an Tierheimtieren erfreulich ist, warnen die Tierschützer vor der leichtfertigen Anschaffung eines Tieres – vor allem über das Internet und den Zoofachhandel.

Denn eines ist klar: Ist der Lockdown vorbei, wird das Interesse am einmal angeschafften Tier bei vielen sinken – es wird von der Freude zur Last. Doch auch nach Homeoffice und Homeschooling, wenn Bars und Cafés wieder öffnen und man wieder verreisen kann, brauchen die Tiere die volle Aufmerksamkeit ihrer Besitzer/innen. Deshalb sollte man sich jetzt auf keinen Fall leichtfertig ein Tier anschaffen.
Im Rahmen seiner Kampagne „Tierheime helfen. Helft Tierheimen!“ klärt der Deutsche Tierschutzbund darüber auf, welche Voraussetzungen für die Tierhaltung erfüllt sein müssen und wie man das passende Haustier findet:
www.tierheime-helfen.de/bereit-fuer-ein-haustier.

Weil Tierheime vor einer Adoption genau prüfen, ob Tier und Mensch auf lange Sicht zusammenpassen und weil seriöse Züchter die Nachfrage nach Rassewelpen kaum stillen können, ist die Gefahr derzeit besonders groß, dass viele Interessenten den vermeintlichen einfachen und schnellen Weg über das Internet wählen. Doch wer ein Tier online kauft, unterstützt dabei oft – auch ohne es zu wissen – den illegalen Welpenhandel. Dieser erlebt durch die Corona-Krise einen Aufschwung. Und damit sind nicht die seriösen deutschen Tierschutzvereine gemeint, die Hunde oder Katzen aus dem Ausland über das Internet vermitteln und genau prüfen, wo die Tiere hinkommen! Wer von einem dubios erscheinenden Abnehmer im Netz ein Tier kauft, muss später häufig feststellen, dass er keine Papiere erhält und keinen Kaufvertrag hat. Oft ist der Welpe krank und verursacht enorme Tierarztkosten. Die Tierheime kämpfen akut mit den dramatischen Folgen, etwa, wenn zu junge, kranke Welpen beschlagnahmt, abgegeben oder ausgesetzt werden.

Ebenfalls besorgniserregend ist die immense Nachfrage nach Tieren im Internet-Zoohandel. Hier gehen offenbar Wellensittiche oder Hamster aktuell als „Massenware“ über die virtuelle Ladentheke, und selbst exotische Wildtiere werden verschachert, so heißt es vom Deutschen Tierschutzbund. Auch der Verkauf von Hunde- und Katzenwelpen scheint aktuell ein Riesengeschäft.

Generell fürchten sich die Tierheime vor der bevorstehenden Abgabewelle, wenn der Lockdown zu Ende ist. Dann wird das, was zuerst süß und lieb war, weggebracht, weil man keine Zeit mehr hat, sich darum zu kümmern. „Ich hoffe für die neuen Hunde hier bei uns, dass sie bleiben dürfen, auch wenn ich ihre Hinterlassenschaften wegschaufeln muss“, seufzte meine Nachbarin und holte das Kehrblech. Sie ist auf jeden Fall eine gute Seele.

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