Im Mai habe ich mich mit Rabe Fadawi getroffen, einem 26-jährigen Syrer, der in dem Mietshaus in der Dollingerstraße in Teublitz wohnt, über das LOKAL bereits 2023 berichtete. Damals waren 30 junge Syrer eingezogen. Rabe kennt auch Ibrahim, dessen Geschichte ich bereits etwas ausführlicher erzählt habe. Ibrahim ist inzwischen nach Nürnberg umgezogen, wo er als Chefkoch arbeitet.
Zu unserem Gespräch hat Rabe eine türkische Freundin mitgebracht, die ihm manchmal beim Übersetzen hilft, obwohl er – neben fließendem Arabisch -auch selbst Türkisch spricht. Er und seine Familie haben lange in der Türkei gelebt, bevor er sich allein auf den Weg nach Deutschland gemacht hat. Rabe stammt aus Aleppo. Was er dort erlebt hat, bevor er zusammen mit seinen beiden jüngeren Geschwistern und seinen Eltern aus der Stadt floh, ist schrecklich. Aleppo war in zwei Hälften geteilt – eine wurde von Assads Truppen kontrolliert, die andere von der freien syrischen Armee. Die beiden Parteien bekämpften sich unerbittlich und Aleppo wurde zum Symbol des blutigen Syrien-Krieges, zum Massengrab und zum Trümmerfeld.
Die letzten beiden Monate vor Rabes Flucht war es am allerschlimmsten: Rabe konnte nicht mehr zur Schule gehen, alles drehte sich nur noch ums Überleben. Aleppo war von der Außenwelt abgeschnitten, es gab keinen Sprit, kein Gas, keinen Strom und kaum Lebensmittel und Wasser. „Wir mussten oft 14 Stunden anstehen, um etwas Brot zu bekommen“, erzählt er von der prekären Situation. Dazu die ständigen Explosionen, oft ganz nah. Einmal musste Rabe mitansehen, wie Kinder auf dem Weg zur Schule von einer einschlagenden Rakete getötet wurden, direkt vor ihm. Danach ging er nicht mehr zur Schule, es war zu gefährlich. Nach schier endlosen Nächten und Tagen in Angst konnte seine Familie im Oktober 2014 endlich aus der Stadt fliehen – zu Fuß und unter Lebensgefahr.
Sie kamen in Mersin in der Türkei an, wo die hilfsbereite Bevölkerung sie in leerstehenden Wohnungen unterbrachte. Das Ziel der Familie Fadawi war jedoch Istanbul und sie reisten bald weiter. In Istanbul fanden Rabe und sein Vater Arbeit in der Textilbranche. Seine jüngeren Geschwister gingen zur Schule und arbeiteten nebenher. Fast zehn Jahre lebte Rabe in Istanbul, bevor er seinen Weg nach Deutschland fortsetzte. Er hatte im Internet recherchiert und herausgefunden, dass er in Deutschland langfristig bessere Chancen haben würde als in der Türkei, da er dort eine Ausbildung machen könne.
Über die Balkanroute erreichte er im August 2023 Deutschland. Nach einer kurzen Zwischenstation in Dresden wurde er in Regensburg untergebracht, wo er mit Ehrenamtlichen bereits etwas Deutsch lernen konnte. Dort verbrachte Rabe nur eineinhalb Monate, bevor er schließlich nach Teublitz verlegt wurde. Ohne Führerschein und Auto auf dem Land zu leben, fand Rabe erst einmal nicht so toll. Aber der junge Syrer ist nicht der Typ, der jammert, sondern ein echter Macher, der für seine Ziele kämpft. Deswegen erreichte er inzwischen auch schon viele Integrations-Meilensteine. Er fuhr täglich nach Regensburg oder Schwandorf, um sich persönlich um einen Platz in einem Sprachkurs zu kümmern. Irgendwann sagte jemand (anderes) ab und er durfte dessen Kursplatz einnehmen – so hatte Rabe bereits nach sieben Monaten in Deutschland das B1-Zertifikat in der Tasche.
Nach einem Jahr in Deutschland bekam Rabe seine Aufenthaltserlaubnis – ein wichtiger Schritt für ihn, denn damit konnte er endlich arbeiten. Er fand bald darauf über eine Leiharbeitsfirma Arbeit bei BMW. Kürzlich hat er den Führerschein bestanden und ein Auto gekauft.
„Ich möchte unbedingt eine Ausbildung zum Krankenpfleger machen. Dafür muss ich aber noch besser Deutsch lernen“, erzählt er von seinen Zukunftsplänen. Außerdem suche er eine eigene Wohnung. In der Dollingerstraße teilt er sich sein Zimmer derzeit mit vier anderen jungen Syrern.
Es war Rabe sehr wichtig, dass ich in meinem Artikel zum Ausdruck bringe, wie dankbar er dem deutschen Staat dafür ist, dass er hier aufgenommen wurde. Zugleich wünscht er sich für seine Heimat, dass dort endlich Ruhe einkehrt.