INGRID LIEZ …
„Es wird niemals so viel gelogen wie vor der Wahl, während des Krieges und nach der Jagd“ – schon fast Binsenweisheit, trifft dieses berühmte Zitat aus dem Munde von Otto von Bismarck aus dem Jahr 1879 auch heute noch voll ins Schwarze.
Enttäuschung und Desillusionierung mögen häufige Gefühle nach der Bundestagswahl am 23. Februar bei vielen Bundesbürgerinnen und -bürgern gewesen sein. Jeder fünfte hatte die AFD gewählt, die Ampel ist Geschichte und die CDU/CSU holte magere 30 % im Durchschnitt.
Und doch setzten viele die Hoffnung auf eine schwarz-rote Koalition als die im Augenblick mögliche beste aller Alternativen für das Land.
Inzwischen fühlen sich viele Wähler jedoch einfach abgestraft. Für den sogenannten Fünf-Punkteplan von Friedrich Merz einige Wochen vor der Wahl waren die Stimmen der AFD gut genug. Doch zusammenarbeiten will man mit den Rechtspopulisten selbstverständlich nicht, Wählerwillen hin oder her. Andere Länder gehen da mittlerweile einen Schritt weiter, wann wird es bei uns so weit sein?
Abgestraft wurden auch diejenigen, die in Friedrich Merz einen fähigen zukünftigen Kanzler sahen – vor der Wahl.
Jetzt hat sich einiges geändert: Vieles, was er versprochen hat, ist jetzt vom Tisch, wie zum Beispiel, keine neuen Schulden zu machen. „Wortbruch“ hat da der frühere CSU-Chef Horst Seehofer dem ehrgeizigen Bald-Kanzler vorgeworfen. Auch in Sachen Migration heißt es jetzt, dass Grenzschließungen nur in Absprache mit den europäischen Partnern gehe – de facto heißt das: Gar nicht.
Dazu kommt jetzt eine Trickserei: Noch mit den Stimmen des alten Bundestags wollen SPD und CDU/CSU das Grundgesetz ändern, um die Schuldenbremse aussetzen zu können. Etwa eine Billion (sprich: 1000 Milliarden) neue Schulden für „Infrastruktur“, Militär und Ukraine-Hilfen sollen aufgenommen werden. Keine Frage, in Sachen Infrastruktur sind Neuerungen dringend
Der Rest basiert auf der alten neuen Angst Europas, einem mächtigen russischen Aggressor ohne die Unterstützung der USA gegenüberzustehen. Auch hier gibt es wohl keine Alternative, was man daran sieht, dass Donald Trumps vollmundige Versprechen, den Ukrainekrieg zu beenden, ins Leere
Doch dass die Milliardenschulden mit dem alten Bundestag auf den Weg gebracht werden sollen, hinterlässt einen hässlichen Beigeschmack besonders bei den Wählern der Union. Und dabei muss sich Friedrich Merz die nötige Zustimmung auch von den Grünen erst noch erarbeiten! Ungeschickt, dass er nicht schon früher das Gespräch mit ihnen gesucht und Markus Söder beim politischen Aschermittwoch nochmal kräftig ausgeteilt hat.
Eine weitere Hürde ist der Bundesrat, in dem die Union auch auf die Stimmen von den Linken oder den Freien Wählern angewiesen ist. Recht haben die Grünen, wenn sie ihre Zustimmung zu dem Finanzpaket mit Forderungen verbinden, wie Zusagen beim Klimaschutz.
Doch schon letzten Montag verkündeten die Grünen Partei- und Fraktionsvorsitzenden, das Gesamtpaket nicht mittragen zu wollen. Lediglich zu einer gesonderten Stärkung der Verteidigungsfähigkeit wollen die Grünen ihre Zustimmung geben. Fraktionschefin Katharina Dröge sagte, dass die CDU-Angebote unzureichend seien und die Grünen nicht bereit seien, „Wahlgeschenke“ mitzutragen, wie eine „Schatzkiste“ aus Steuerentlastungen, der Reform des Agrardiesels und der Erhöhung der Pendlerpauschale – also das, was die Union wohl auch unter „Infrastruktur“ verstehe. Ist Merzens Traum vom schweren Geld damit geplatzt? Die Grünen haben Recht, wenn sie sein Vorgehen nicht mittragen, das einem zukünftigen Kanzler nicht gut zu Gesicht steht. Erste Gespräche gingen jedenfalls am Montagabend offenbar ergebnislos zu Ende.
Was soll man jemandem glauben, der schwindelt und trickst? Positiv ist, dass sich CDU/CSU und SPD in gemeinsamem Verantwortungsbewusstsein zusammengerauft haben. Es blieb ihnen wohl auch nichts anderes übrig. Man darf gespannt sein, ob es zu einer Einigung mit den Grünen kommt.