Weihnachten in der Coronazeit – Perspektivwechsel gefällig?

INGRID LIEZ …

Dieses Jahr werden Advent und Weihnachten anders als sonst, das steht schon mal fest. Wir werden keine Adventsmärkte besuchen können, es gibt sehr wahrscheinlich keine Gottesdienste wie wir sie eigentlich kennen. Alle gemeinsamen Events oder Aktionen sind auf Eis gelegt – außer mit der eigenen Familie im eigenen Hausstand.

Also mal ehrlich – in Großmutters oder Großvaters Haut möchte ich an diesem Weihnachtsfest nicht stecken! „ALLEIN“ ist die Devise, denn für viele Familien fällt der Besuch bei den Großeltern flach, um diese nicht zu gefährden – aber was ist mit den vielen alleinstehenden Omas und Opas? Von den vielen Kontaktbeschränkungen in den Seniorenheimen will ich gar nicht erst reden. Vielleicht helfen E-Mail, Whatsapp oder Skype, doch kann das Internet die herzliche Umarmung, die Enkel auf dem Schoß nicht ersetzen. Ist das Leben dann noch lebenswert? Ich kann mir vorstellen, dass viele alte Menschen im Augenblick recht verzweifelt sind.

Aber auch für alle anderen wird es sicherlich eine schwierige Weihnachtszeit. Wie soll Weihnachtsstimmung aufkommen?
Seltsam, aber mir kommt es vor, als wolle uns diese Pandemie auf die ureigenen Schwächen in unserer Gesellschaft hinweisen: Zum Beispiel die miese Unterbringung von Fremdarbeitern, die wir u.a. für die Produktion von Fleischmassen brauchen, die Ausgrenzung von Geflüchteten, die meist in großen Heimen leben, sowie unser ständiges Streben nach Leistung und Geld, das uns zur Mentalität geworden ist, das uns fast 24/7 nur für die Arbeit da sein lässt und weswegen wir Eltern und Großeltern in Heimen unterbringen müssen, weil wir keine Zeit mehr für sie haben (wollen) – all das ließ die Infektionszahlen in die Höhe schnellen.

Das Internet – lässt man die Vorteile für globale Kommunikation, Kommerz, Wissenschaft usw. beiseite – ließ uns menschlich auseinanderdriften, jetzt MÜSSEN wir uns sogar voneinander fernhalten. Das Internet wird da ironischerweise zur einzigen Möglichkeit, Nähe zu erfahren …
Und das, was für uns in den letzten Jahren Weihnachtsstimmung ausmachte, darauf müssen wir verzichten: Die Märkte, der vielfache Lichterglanz von Girlanden und Konsumgütern, von reichhaltigem leckeren Essen in Gesellschaft … doch bedeutet dies alles wirklich Weihnachten als ein Fest der Wiedergeburt des Lichts und der Geburt des Erlösers in der christlichen Kirche?

Das „viral“ verordnete Alleinsein stößt uns darauf hin, was Weihnachten auch, oder vielleicht wirklich, ausmacht: Eine einzige Kerze in der Finsternis kann es schon sein. Eine einzige geliebte Stimme am Telefon, ein einziges Weihnachtslied, das von dem Wunder im Stall kündet.

Weihnachten in der Coronazeit zeigt uns die Botschaft aus dem Bethlehemer Stall: Nicht auf die äußere Pracht und die Größe der Geschenke kommt es an, sondern darauf, uns bewusst zu werden, was WIRKLICH wichtig ist: Die Liebe füreinander, die Sehnsucht zueinander, die Dankbarkeit für das Dach über dem Kopf und das weiche Bett, in das wir uns abends legen. In diesem Sinn sollte Weihnachten eigentlich alle Tage sein!

Corona beschränkt uns – doch anders gesehen gibt es uns die Möglichkeit, unsere Beziehungen und überhaupt die Gesellschaft ganz neu und anders zu leben und zu gestalten, im Hinblick auf eine Corona-freie Zukunft.

So rufen wir, so oft es geht, die Großmutter auf Skype an, nutzen wir die sozialen Medien, um Kontakte zu halten – es bleibt uns nichts anderes übrig, einfach damit es eines Tages wieder anders sein wird. Doch es wird nicht wieder sein wie vorher: Uns wird hoffentlich bewusst geworden sein, wie wichtig unsere Nächsten für uns sind, und wie wichtig es wäre, unsere Gesellschaft anders, menschlicher, zu machen.

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