LOKAL-Interview: Atomares Endlager in der Oberpfalz?

Journalist und Buchautor Oskar Duschinger im Gespräch mit der Symbolfigur gegen den WAA-Widerstand Hans Schuierer auf der Terrasse seines Hauses in Klardorf

Oskar Duschinger und Hans Schuierer im Gespräch. Foto: Duschinger

Duschinger: Vor über 30 Jahren wurde der Bau der Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf, der von jahrelangen massiven Demonstrationen begleitet war, eingestellt. Nun ist man auf der Suche nach einem Atomendlager. Die Oberpfalz steht wieder im atomaren Fadenkreuz!
Schuierer: Mich wundert, dass die Bayerische Staatsregierung, die jahrelang eine Verfechterin der Atomkraft war, von einem atomaren Endlager in Bayern nichts wissen will. Dabei müsste allen verantwortlichen Politikern klar sein: Wir brauchen ein Endlager! Wenn nach intensiver Erkundung die Wissenschaft der Meinung sein sollte, dass die Oberpfalz dafür ein geeigneter Standort wäre, dürfen wir uns in Bayern nicht einfach querlegen.

Duschinger: Das jahrzehntelang als heißer „Endlager-Kandidat“ gehandelte Gorleben dagegen scheint aus dem Rennen. Überrascht?
Schuierer: Ich bin nicht überrascht. Ich war mit einer Delegation in Gorleben, wo hochradioaktiver Abfall zwischengelagert wurde und mir ist damals als Laie schon aufgefallen, dass dieses unterirdische Lager für eine Endlagerung nicht geeignet sein kann. Es tropfte permanent von der Decke auf unzählige, mit Atommüll gefüllte Fässer. Da schien nichts dicht zu sein.

Duschinger: Immerhin ist die Rede davon, dass die Bürger und Bürgerinnen, Umweltverbände und Kommunen „stark in das mehrstufige Auswahlverfahren eingebunden werden“ sollen.
Schuierer: Ich hoffe, dass es nicht so kommt wie zu WAA-Zeiten, als die Bevölkerung von Anfang an belogen und alles verharmlost wurde. Ich erwarte auch von der Bayerischen Staatsregierung, dass bei der Endlagersuche nur die Wahrheit zählt.

Duschinger: Ansonsten: Verkehrte Welt! Bayerns Ministerpräsident Söder machte schnell klar: „Nach unseren wissenschaftlichen Erkenntnissen ist Bayern eindeutig ein schlechterer Standort“.
Schuierer: Ich bin kein Geologe, aber als ich diese Aussage erstmals hörte, war mir klar, dass sie nicht stimmen kann. Wenn es in Bayern keine geeigneten Standorte geben soll, wo dann in der Bundesrepublik?

Duschinger: Grünen-Bundesvorsitzender Robert Habek dagegen sprach davon, dass der Freistaat Bayern als Atomland bei der Endlager-Suche Rückgrat zeigen müsse.
Schuierer: Welches Rückgrat? Ich bin der festen Überzeugung, dass nur die Wissenschaft diese Frage entscheiden kann. Wenn die besten Fachleute einen Standort, nach gründlichen Untersuchungen, für geeignet befinden, muss die Diskussion zu Ende sein. Egal, wo sich dieser Standort dann befindet.

Duschinger: Ihre Partei, die SPD, die einst entscheidend im Widerstand gegen die WAA engagiert war, hält sich noch weitgehend bedeckt!
Schuierer: Meiner Meinung nach ist der Zeitpunkt, massiv in die politische Diskussion einzusteigen, noch nicht gekommen. Jetzt sollte man das Feld erst einmal den Wissenschaftlern überlassen.

Duschinger: Früher stritten sich führende Politiker um die Wiederaufarbeitung; den atomaren Dreck scheint k e i n e r haben zu wollen.
Schuierer: Das fällt auf! Wenn die WAA gebaut worden wäre, wäre die Frage eines Endlagers sicherlich nicht so drängend. Wackersdorf hätte über Jahrzehnte, vielleicht sogar über Jahrhunderte, als Zwischenlager atomare Brennstäbe angehäuft.

Duschinger: Damit hätte Wackersdorf der Bundesrepublik die Endlagerdiskussion über lange Zeit erspart!
Schuierer: Ich denke, so war es geplant: Wackersdorf – Wiederaufarbeitung und Zwischenlager für Atommüll.

Duschinger: Herr Schuierer, den Bau einer WAA auf Oberpfälzer Boden haben Sie an vorderster Front vor 30 Jahren mit verhindert. Was wird passieren, wenn die Oberpfalz in den engeren Kreis kommen sollte?
Schuierer: Ich kann nicht abschätzen, ob es wieder zu ähnlichen Demonstrationen wie vor über 30 Jahren kommen wird. Eines ist für mich klar: Irgendwo muss es ein Endlager geben. Wenn sich die Wissenschaftler einig sind und der Standort in der Oberpfalz sein sollte, werde ich mich an keinen Demonstrationen dagegen beteiligen.

Duschinger: Muss einem nicht angst und bange werden, wenn 2050 das Endlager in 300 Meter Tiefe aufnahmebereit ist: Nahezu 2000 Castoren mit strahlendem Atommüll, der eine Million Jahre strahlt?
Schuierer: Das hätte man sich vor Beginn der Atomkraft-Nutzung überlegen sollen. Damals hätte doch schon klar sein müssen, dass irgendwann ein Endlager den atomaren Abfall aus den Kernkraftwerken aufnehmen muss. Vor allem die Atomwissenschaftler haben sich viel zu lange viel zu wenige Gedanken gemacht.

Duschinger: Die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) stellte bereits klar: Die Oberpfälzer Granitböden eigneten sich grundsätzlich für ein unterirdisches Depot für hochradioaktiven Müll.
Schuierer: Es gibt sicherlich bereits geologische Untersuchungen aus jener Zeit, in der nach einem geeigneten Standort für eine Wiederaufarbeitungsanlage geforscht wurde. Es war ja damals eine Reihe von Standorten im Gespräch.

Duschinger: Damit nicht genug. Vor kurzem wurde auch bekannt, dass schwach strahlender radioaktiver Abfall aus dem stillgelegten Atomkraftwerk Grafenrheinfeld im Müllkraftwerk Schwandorf verbrannt wird. Waren sie überrascht, als Sie davon gehört haben?
Schuierer: Ich war nicht nur überrascht, ich war zutiefst verärgert darüber, dass so etwas der Bevölkerung verheimlicht wird. Nun heißt es, dass der „freigemessene Atommüll“ gefahrlos wäre. Ich sehe jedoch durchaus Gefahren. Als wäre die Belastung durch die „normale“ Müllverbrennung für die Bevölkerung nicht groß genug, jetzt kommt auch noch die Verbrennung von sogenanntem „freigemessenen Mülls“ hinzu. Ich empfinde das als riesengroße Schweinerei!

Duschinger: 2019 wurden im Müllkraftwerk Schwandorf knapp 104 Tonnen Abfälle aus deutschen Atomkraftwerken verbrannt, davon 91 Tonnen aus dem Verbandsgebiet des ZMS. Die Verantwortlichen sprechen von „normalem Gewerbeabfall“.
Schuierer: Ich sehe das völlig anders. Müll aus den Atomkraftwerken ist Atommüll und nichts anderes! Ich bin sehr verärgert über die Verantwortlichen, die die Bevölkerung nicht darüber informiert haben.

Duschinger: Mal sehen, wie die Mitarbeiter des Müllkraftwerks Schwandorf und die Schwandorfer Bürgerinnen und Bürger reagieren werden …
Schuierer: Die Proteste werden kommen! Die Bevölkerung hat erst vor kurzem davon erfahren und ist dabei, sich eine Meinung zu bilden, sich zu orientieren. Es ist wie zu WAA-Zeiten: Wieder wird seitens der Verantwortlichen verheimlicht, verharmlost, werden die Gefahren nicht offengelegt.
Es ist notwendig, dass sich Bürgerinitiativen bilden und sich Fachleute einschalten, die mögliche Gefahren aufzeigen. Für mich ist die Verbrennung des Atommülls aus Grafenrheinfeld sowie Isar I und II eine hochgefährliche Angelegenheit.

Duschinger: Herr Schuierer, wie real ist in Ihren Augen die Gefahr, dass die Oberpfalz wieder zum atomaren Schauplatz der Republik wird?
Schuierer: Innerhalb unserer Region sehe ich die Gefahren durch die Verbrennung von radioaktivem Müll weitaus dramatischer als die Gefahr, dass die Oberpfalz Standort eines Endlagers wird.

Duschinger: Sie gelten nicht nur als Symbolfigur des friedlichen Widerstandes gegen die verhinderte Atomfabrik Wackersdorf, sondern auch als unbeugsamer und unbestechlicher Politiker. Trauen Sie der Politik und der BGE eine faire Endlager-Entscheidung zu?
Schuierer: Es gibt in unserem Lande durchaus noch verantwortungsvolle Politiker. Wenn die Bayerische Staatsregierung jedoch davon spricht, dass es in Bayern keine geeigneten Endlager-Standorte gibt, dann habe ich meine Bedenken.

Duschinger: Herr Schuierer, vielen Dank für das Gespräch.

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