NITTENAU/MAXHÜTTE-HAIDHOF (lz). Der Schwarzer Berg kommt nicht zur Ruhe. Nachdem weite Teile des ausgedehnten Waldgebiets, in dem nicht nur Quellen entspringen, die das Teublitzer Eselweihergebiet speisen, sondern auch zahlreiche seltene oder bedrohte Tierarten zu Hause sind, einem geplanten Gewerbegebiet zum Opfer fallen sollen, steht jetzt auch der Bau einer Windkraftanlage in der Diskussion – diesmal von Seiten der Gemeinde Nittenau und direkt an der Gemarkungsgrenze, sodass auch die Stadt Maxhütte-Haidhof (Meßnerskreith) betroffen sein würde.
Kein Zweifel – der Ausbau der Windkraft ist gerade jetzt in Zeiten der extremen Gasverknappung ein bedeutender Teil der Realisierung der Energiewende. Von daher ist der Bau weiterer WKAs auch im deutschen Binnenland ein Muss.
Bereits im Mai 2022 hatte sich der Nittenauer Stadtrat mit der Planung eines WKA am Schwarzer Berg beschäftigt, genannt „Bürgerwindpark“, denn Bürger*innen und Gemeinde sollen profitieren.
Das fränkische Unternehmen „Wust – Wind und Sonne GmbH & Co. KG“ hatte das Projekt vorgestellt. Geplant sind vier Windräder mit einer Gesamthöhe von jeweils 250 m und einer Energieausbeute von jährlich 11 Mio. Kilowattstunden ab 2025. Dazu sollen 20.000 qm Fläche versiegelt werden. Der Eigner des betroffenen Grundstücks zeigte sich aufgeschlossen, der Stadtrat zeigte sich trotz einiger kritischer Nachfragen ebenso aufgeschlossen und diskussionsfreudig. Bisher wurde jedoch kein Beschluss gefasst, so teile Bürgermeister Benjamin Boml mit. Allerdings steht die nächste Stadtratssitzung jetzt unmittelbar bevor, in der das Projekt erneut besprochen werden soll.
GRÜNE Nittenau: Mehr Aufklärung über Windkraftanlagen
In den letzten beiden Jahren seien in Bayern viel zu wenige WKAs genehmigt worden, pro Jahr eine Anzahl nur im einstelligen Bereich, kritisiert Stadträtin und Fraktionsvorsitzende Elisabeth Bauer von den Nittenauer GRÜNEN in einer Stellungnahme gegenüber LOKAL. Die derzeit ausgewiesen Flächen für Windkraft seien nicht ausreichend und müssen ohnehin aufgestockt werden.
„Bei dem geplanten Windpark am Schwarzer Berg ist es wichtig, die Öffentlichkeit mit einzubeziehen und die Stimmen der beteiligten Personen zu hören“, so Bauer. Es sei dringend erforderlich, die Menschen über die Fakten zur Windkraft aufzuklären und „Halbwahrheiten“ auszuräumen. Für den geplanten Standort stehe nicht nur ein Grundstück, sondern auch ein Investor zur Verfügung. Ohnehin würden im Rahmen des Genehmigungsverfahrens auch die Arten-, Natur- und Umweltschutzgegebenheiten beleuchtet. „Die Nittenauer GRÜNEN stehen den weiteren Planungen positiv gegenüber.“
Dem Vorhaben zugute kommt die Entscheidung der bayerischen Regierung vom April 2022, die sogenannte 10H-Regelung für WKAs in Bayern zu lockern. Bisher musste der Abstand eines Windrades bis zur nächsten Besiedelung das Zehnfache seiner Höhe betragen. Seit Einführung dieser Regel ist der Ausbau der Windkraft in Bayern praktisch zum Erliegen gekommen. Die 10H-Regel bleibt zwar in Kraft, jedoch mit deutlichen Ausnahmen, damit etwa 800 Windräder gebaut werden können. Der Mindestabstand in den sogenannten Vorranggebieten soll nur noch 1000 m betragen müssen. Wo das sein wird und darf, sollen regionale Planungsverbände in naher Zukunft ermitteln. Eine WKA am Schwarzer Berg wäre von der nächsten Siedlung – Maxhütte-Meßnerskreith – nur 1250 m entfernt.
Neues „Steuerungskonzept Windenergie“ bleibt abzuwarten
Franz Schmidkunz, GRÜNEN-Stadtrat in Maxhütte-Haidhof, sieht ein WKA am Schwarzer Berg äußerst skeptisch. „Die Fraktion der GRÜNEN Maxhütte-Haidhof ist selbstverständlich für den Ausbau regenerativer Energiegewinnung“, schreibt Schmidkunz in einer Pressemitteilung. „Und doch gehe ich davon aus, dass die Planungen auf der Grundlage eines vom Regionalen Planungsverband Oberpfalz Nord am 28.06.2022 beschlossenen „Steuerungskonzept Windenergie“ zurückgestellt und gründlich überdacht werden sollten. In diesem Konzept werden nämlich nach der Ermittlung von Potenzialräumen für Windenergieanlagen Vorrang- und Vorbehaltsgebiete ausgewiesen.“
Dabei würden alle Schutzgüter wie Landschaft, Mensch, biologische Vielfalt, Wasser und viele mehr berücksichtigt. Es sei daher, so Dr. Schmidkunz weiter, den Planer*innen sowie der Gemeinde Nittenau „dringend“ anzuraten, zunächst die Veröffentlichung des „Steuerungskonzepts Windenergie“ abzuwarten, bevor weiter geplant wird. Denn mit dem Steuerungskonzept sei die Vorstellung verbunden, einen sonst zu erwartenden „Wildwuchs“ bei Windkraftanlagen abzuwenden.
Gegen den Bau einer Anlage an diesem Standort sprächen laut Schmidkunz der massive Eingriff in das Landschaftsbild und in das Landschaftsschutzgebiet, der Verlust eines der schönsten Naherholungsgebiete des gesamten Städtedreiecks, eine erhebliche Beeinträchtigung des angrenzenden Flora-Fauna-Habitats „Regentalhänge“ und damit einhergehend eine Bedrohung geschützter Arten.
LBV für „natur- und landschaftsverträglichen Windkraft-Ausbau“
Der Leiter der Bezirksgeschäftsstelle Oberpfalz des Landesbunds für Vogelschutz (LBV), Christoph Bauer, gibt zu bedenken, dass sich der diskutierte WKA-Standort in einem Landschaftsschutzgebiet befindet sowie in unmittelbarer Nähe zu einem europäischen Naturschutzgebiet. Im Flora-Fauna-Habitat-Gebiet (FFH) „Regentalhänge bei Hirschling“ komme unter anderem der Luchs als Zielart vor. In etwa 750 m Entfernung befinde sich ein Uhu-Brutplatz, so Bauer. „Laut Waldfunktionskartierung liegen die geplanten Windkraftanlagen direkt in oder an Klimaschutzwäldern bzw. Wäldern mit besonderer Funktion als Lebensraum. Die Standorte im Großprivatwald liegen außerhalb der Gebietskulisse des Energieatlas Bayern.“
Tatsächlich seien alternative Flächen nur wenig entfernt vom Schwarzer Berg entlang der Autobahn A93 bzw. der Bahnstrecke vorhanden. „Diese Flächen wären naturschutzfachlich und aus Sicht der Landschaftsästhetik wesentlich schonender.“
Grundsätzlich sollten neue Windräder an „vorbelasteten Standorten“ entstehen, so Bauer weiter, so habe es der Bayerische Ministerrat Ende Juni beschlossen. Ebenso habe Regionale Planungsverband Oberpfalz Nord bisher für die Oberpfalz keine Vorrang- und Vorbehaltsflächen für WKAs ausgewiesen, dies bleibe abzuwarten, um einem „Wildwuchs“ von WKAs vorzubeugen.
Abschließend schlägt der LBV-Bezirksgeschäftsführer eine interkommunale Zusammenarbeit im Hinblick auf geeignete Flächen an der Autobahn bzw. Bahnstrecke vor. „Eine entsprechende Initiative des Teublitzer Bürgermeisters Thomas Beer würde der LBV ausdrücklich begrüßen.“
Sorgfältige Abwägung zwischen wirtschaftlicher Notwendigkeit und Schutz der Natur
„Wir leben in einer Zeit der Energiewende. Der Druck diese Energiewende noch schneller umzusetzen, wurde durch den Krieg in der Ukraine noch mehr verstärkt. Der Weg hin zu erneuerbaren Energien und in diesem Fall der Windkraft wird auch an unserer Region nicht spurlos vorübergehen“, meint Bürgermeister Thomas Beer in einer Presseinformation aus dem Teublitzer Rathaus. „Auf kurz oder lang werden auch wir uns in unserer näheren Umgebung, dazu zählt auch der Schwarze Berg, an den Anblick von Windkraftanlagen gewöhnen müssen.“ Solle sich im Zuge der Planungen der Nachbarstadt Nittenau ein alternativer Standort ergeben, der im Gebiet der Stadt Teublitz liege, werde die Stadt es „durchaus in Betracht ziehen, eine interkommunale Lösung zu einem Projekt für nachhaltige Energiegewinnung zu realisieren.“
Die Stadt Maxhütte-Haidhof sei bis dato noch nicht schriftlich über die Planungen einer WKA im Bereich Schwarzer Berg informiert worden, teilt Bürgermeister Rudi Seidl mit.
„Es wird wohl von Seiten der Stadt Nittenau zu einem Bauleitverfahren kommen, bei dem die Stadt Maxhütte-Haidhof als Nachbarkommune beteiligt wird. Die Möglichkeiten der Einflussnahme von Seiten der Stadt auf das Projekt werden wohl sehr beschränkt sein, da die Planungsfläche auf dem Gebiet der Gemarkung Nittenau liegt.“
Persönlich sieht Seidl die Planungsfläche kritisch. Um das Baumaterial einschließlich der Rotorblätter an die Standorte bringen zu können, müsse massiv in Landschaft und Vegetation eingegriffen werden. „Der Bereich um die vier Standorte der Windräder wird sich massiv verändern!“ Des Weiteren richtet der Maxhütter Bürgermeister ebenfalls den Blick auf die bevorstehende Ausweisung von Potenzialräumen für WKAs durch den Regionalen Planungsverband.
„Im Umweltbericht dieses Fortschreibungsverfahrens werden sämtliche Schutzgüter berücksichtigt, zudem haben im Rahmen des Beteiligungsverfahrens die Fachstellen und die Öffentlichkeit die Möglichkeit sich zu äußern. Damit wird gewährleistet, dass sämtliche Belange erhoben und im Zuge der Abwägung gegenübergestellt werden können.“
Die dezentrale Energieerzeugung ob mit Windkraft oder Fotovoltaik werde in Zukunft zur Daseinsvorsorge gehören, so Seidl abschließend. „Die Abwägung wirtschaftlicher Belange gegenüber den Schutzgütern in der Natur ist somit unerlässlich.“
Widerstand formiert sich
„Wir sind uns bewusst, dass in Zukunft die Energiegewinnung durch erneuerbare Energien vorangetrieben werden muss, aber nicht um jeden Preis!“ schreibt Inge Wagner von der Bürgerinitiative „Am Schwarzer Berg – schützt Wald und Wasser“ in einer Stellungnahme für LOKAL. „Wir lehnen die Pläne der Stadt Nittenau entschieden ab, vier Windkraftanlagen am Schwarzer Berg zu bauen. Die Zerstörung in Form von Rodung und die Versiegelung wären für dieses Gebiet erheblich.“ Wagner verweist auf den öffentlich einsehbaren Energieatlas der Bayerischen Staatsregierung, in dem Gebietskulissen beim Pendlerparkplatz Teublitz (Gemarkung Teublitz) eingetragen seien, die als Flächen für Kommunen als Umweltplanungshilfen dienen sollen. „Warum werden solche Hilfen nicht angenommen und zum Beispiel über ein interkommunales Projekt zusammengearbeitet?“
Außerdem fand kürzlich eine Infoveranstaltung im Clemenshaus in Maxhütte-Haidhof statt, auf der die Gegner sich einig waren, dass der Standort Schwarzer Berg für eine Windkraftanlage zu wertvoll sei. Die Veranstaltung wurde von Gabriele Karl organisiert, gekommen waren etwa 150 Personen. Es kam zu hitzigen Diskussionen. In ihrer Rede, die zur eigenen Meinungsbildung der Zuhörerschaft beitragen sollte, zeigte Wagner unter anderem negative Aspekte von Windrädern auf, wie etwa Eiswurf als Gefahr für Wanderer oder Radfahrer im Winter oder die aus carbonfaserverstärkten Kunststoffen bestehenden Rotorblätter, die bei einem Brand hochgiftig reagierten. Die Frage, warum keine Windräder an ohnehin „vorbelasteten“ Stellen gebaut würden, warf Christian Stierstorfer vom LBV in seinem Vortrag ebenfalls auf. „Ein Wahnsinn“ sei es, so Stierstorfer, dass ein Teil der „Ausgleichsflächen“, die wegen des Baus des Teublitzer Gewerbegebiets geschaffen werden sollen, an den möglichen Standorten der Windräder lägen. So müssten auch diese Ausgleichsflächen wieder ausgeglichen werden.
Auf der Veranstaltung war eine Unterschriftenliste ausgelegt worden, auf der bereits 117 Personen unterschrieben haben. „Eine Vielzahl von Leuten sind an uns herangetreten und wollen noch unterschreiben“, sagt Inge Wagner. „Die Liste soll der Stadt Nittenau zeitnah übergeben werden, damit die dortigen Verantwortlichen sehen, dass Widerstand da ist und noch zu erwarten ist.“