Flucht nach Deutschland, Endstation Städtedreieck?

Fakten und Hintergründe rund um ein kontroverses Thema

STÄDTEDREIECK (sr). Das Thema Flüchtlinge beschäftigt die Politikerinnen und Politiker nicht nur auf Bundesebene, sondern sorgt auch im Städtedreieck immer wieder für Gesprächsstoff. Kommunalpolitiker, die Bevölkerung, ehrenamtliche Helfer, Integrationsstellen, Mitarbeiter von Ämtern und die Geflüchteten selbst haben unterschiedliche Sichtweisen und verschiedenste Probleme. In der aktuellen LOKAL-Ausgabe (ET 25.11.2023) sowie in den nächsten Ausgaben (ET 2.12., 9.12.) möchte “LOKAL – das blatt ihrer region” einen Platz für Fakten und Zahlen rund um die Flüchtlingsthematik im Städtedreieck schaffen, aber auch Raum für Stimmen, Emotionen und persönliche Geschichten.

Seit dem Jahr 2011 herrscht in Syrien Krieg. Städte wie Aleppo wurden zerbombt, mehr als die Hälfte der Gebäude sind nicht mehr bewohnbar. Foto: iStock.com/TrentInness

Die meisten Asylsuchenden im Städtedreieck kommen, wie in ganz Deutschland, aus Syrien, Afghanistan und der Türkei. Fakt ist, dass sie vor Verfolgung, Gewalt und Perspektivlosigkeit durch Krieg und Terror fliehen müssen. Dass viele der Schutzsuchenden einen langen und oft lebensgefährlichen Weg hinter sich haben, bevor sie Deutschland erreichen, ist bekannt. Fakt ist jedoch auch, dass zu viele Menschen nach Deutschland kommen, die teils gar nicht auf Hilfe angewiesen sind: Wirtschaftsflüchtlinge. Ebenso blockieren lange Asylverfahren den Weg in den Arbeitsmarkt, fehlende Sprachkursangebote erschweren den Einstieg. Der Ärger darüber ist nachvollziehbar, denn es muss etwas passieren. Erste Schritte hat die Bundesregierung bereits beschlossen, jedoch ist dies erst der Anfang.

Was trotz Unmut und Ärger jedoch nicht sein darf: Das Pauschalisieren von Geflüchteten, denen wir Schutz bieten. Natürlich gibt es auch schwarze Schafe, doch die meisten dieser Menschen tragen Gutes im Herzen und möchten sich hier integrieren. Die Geflüchteten wünschen für sich und ihre Familie nichts sehnlicher als in Frieden, jenseits von Krieg und Zerstörung, zu leben und zu arbeiten.

Fake News in den sozialen Medien: Die Wiege vieler Ängste
Dass es in Gemeinschaftsunterkünften, in denen viele teils traumatisierte Menschen unterschiedlicher Nationalitäten auf engem Raum leben, dennoch zu Auseinandersetzungen oder Vorfällen kommt, möchte keiner leugnen. Bedenklich ist es eher, wenn Außenstehende dann in den sozialen Medien Behauptungen über Geflüchtete verbreiten, so wie es auch in der Vergangenheit bereits der Fall war.

Beispielsweise wurde auf Facebook die Behauptung aufgestellt, im Städtedreieck seien zwei Mädchen von Geflüchteten vergewaltigt worden. Laut Aussage der Polizeiinspektion Burglengenfeld wird diesem Vorwurf nachgegangen, es gebe jedoch nach derzeitigem Stand noch keine konkreten Anhaltspunkte. Weiterhin wurde behauptet, dass ein Rettungshubschrauber nicht landen konnte, der aufgrund eines häuslichen Unfalls im ehemaligen toom-Baumarkt, einer Dependance des Regensburger Ankerzentrums, gerufen worden war. Er sei von den Geflüchteten mit Steinen beworfen worden. Informationen zu einer solchen Behinderung dieses Rettungseinsatzes liegen der PI Burglengenfeld jedoch aktuell nicht vor.

„Das Netz ist kein rechtsfreier Raum!“
Generell spielen Falschmeldungen eine große Rolle bei den Ängsten der Bevölkerung. Das sieht auch der Dienststellenleiter der PI Burglengenfeld, Franz Wenig, so: „Leider müssen wir immer wieder feststellen, dass es eine deutliche Diskrepanz zwischen der tatsächlichen Sicherheitslage und der ,gefühlten‘ Sicherheitslage gibt. Letztere ist oftmals wesentlich schlechter als die Wirklichkeit. Die Ursachen sind vielseitig und liegen aus meiner Sicht auch in einer reißerischen Berichterstattung und den Kommentarspalten der sozialen Medien begründet. Hass und Hetze verschärfen die Probleme in unserer Gesellschaft.“

Franz Wenig fährt fort: „Fake News zu streuen kann nicht nur das Sicherheitsgefühl unserer Bürgerinnen und Bürger beeinträchtigen, sondern wird teilweise auch dafür eingesetzt, den sozialen Frieden zu stören. Das Selbstverständnis, mit dem dieser Personenkreis entweder bewusst Unwahrheiten oder nicht nachprüfbare Geschichten, welche meist nur vom Hörensagen stammen, verbreitet, gibt mir sehr zu denken und macht mich auch betroffen! Es bedarf wenig Mut, in der Anonymität des Internets falsche Nachrichten zu streuen. Die Grenze des Erlaubten ist aber immer dann erreicht, wenn der Urheber der Behauptung durch seine Äußerung gegen eine gesetzliche Vorschrift verstößt oder dadurch Rechte anderer verletzt. Unsere Botschaft lautet: Das Netz ist kein rechtsfreier Raum!“

Laut Statistik habe sich im Städtedreieck der Anteil der nichtdeutschen Tatverdächtigen an allen durch die Polizei erfassten Vorgängen in den letzten fünf Jahren nicht wesentlich verändert. „Die objektiven Zahlen aus der Kriminalstatistik zeigen, dass es sich bei uns im Städtedreieck sehr sicher lebt“, ergänzt Wenig. Auch der Anteil der Tatverdächtigen mit ausländischer Staatsangehörigkeit, gegen die ermittelt werde, sei relativ unverändert im Verlauf der letzten Jahre geblieben.

Jung, männlich, arabisch: Warum kommen die Männer allein?
Diese Attribute scheinen bei der Bevölkerung oft besonders viele Ängste und Vorurteile heraufzubeschwören. Während die Menschen für die ukrainischen Opfer von Putins Angriffskrieg regelrecht Tür und Tor öffneten, wird um arabische Geflüchtete lieber ein großer Bogen gemacht – es fehlen die dazugehörigen Frauen und Kinder. Dass es oft erstmal nur die jungen Männer sind, die in Deutschland ankommen, hat mehrere Gründe: Flucht vor Zwangsrekrutierung und Tod, auch fehlende finanzielle Mittel für die gesamte Familie.

Mit der Entscheidung, sich allein auf die lebensgefährliche Reise zu begeben, sind die Frauen und Kinder keinesfalls vergessen. Nach erfolgreicher Ankunft in Sicherheit beabsichtigen die Männer, ihre Frauen und Kinder so schnell es geht durch den Familiennachzug auf sichere und legale Weise nach Deutschland zu holen.

Jedoch machen langwierige Asylverfahren, ausgebuchte Sprachkurse, Arbeitsgenehmigungen erst nach vielen Monaten, sowie komplizierte Bürokratie die ersten Monate in Deutschland häufig zu einer Geduldsprobe für die Asylsuchenden. Die Trennung der Familien zieht sich nicht selten über Jahre hin. Trotz aller Hindernisse sind die meisten Asylsuchenden dankbar dafür, dass sie hier sein dürfen und eine Chance bekommen.

Die neuen syrischen Nachbarn in der Dollingerstraße
Dass ein privates Wohnhaus in Teublitz Mitte Oktober 2023 zur dezentralen Unterkunft für Asylbewerber wurde, sorgte bei der umliegenden Nachbarschaft teils für Unmut. 25 junge Männer mit fremdem, kulturellem und religiösem Hintergrund in der unmittelbaren Nachbarschaft: Dass dies erst einmal Verunsicherung auslöst, ist verständlich. Doch wie geht man richtig damit um?

Kurz nach dem Einzug der Geflüchteten machte der Teublitzer Pfarrer Lucas Lobmeier den Anfang: Er lud zum gemeinsamen Gespräch. Dies sollte auch einiges zum Abbau von Ängsten und Unsicherheiten beitragen sowie offene Fragen beantworten. Mit dabei waren Erster Bürgermeister Thomas Beer, Geschäftsführer Franz Härtl, der Eigentümer des Wohnhauses, etwa 30 Teublitzerinnen und Teublitzer sowie fünf der neuen Bewohner, die sich mit Hilfe eines Dolmetschers vorstellten und auch persönliche Fragen beantworteten. An diesem Tag wurden spürbar erste Brücken gebaut.

LOKAL im Gespräch
Lesen Sie in der nächsten LOKAL-Ausgabe am 2. Dezember 2023, wie Alhaj Abdullah Namar Ibrahim, einer der Geflüchteten des privaten Wohnhauses in der Dollingerstraße, nach Deutschland kam, was er auf der beschwerlichen Flucht hierher erlebt hat, was er sich für die Zukunft wünscht und welche positiven Berührungspunkte es bereits mit einigen neuen deutschen Nachbarn zu vermelden gibt.

Bei einem persönlichen Gespräch mit herzlichem Empfang zeigte er uns sein aktuelles Zuhause, das er sich inzwischen mit 27 syrischen Männern und einer vierköpfigen syrischen Familie teilt. Was wir hierzu jetzt schon sagen können: Diese Bleibe ist ein Glücksfall für diese Menschen und um ein Vielfaches komfortabler als große Sammelunterkünfte, in denen sich weit über hundert Asylbewerber eine Halle teilen müssen und oft keine Rücksicht auf ethnische Hintergründe und Privatsphäre genommen werden kann.

Weitere Beiträge zu diesem LOKAL TOP-THEMA werden zum Erscheinungstermin der jeweiligen Printausgabe von LOKAL – das blatt ihrer region, auch auf www.lokalnet.de veröffentlicht.

HIER der nächste Beitrag: Einer von vielen: Ibrahim aus Syrien (Teil 1)

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Redaktionsschluss: Dienstag, 28. November 2023, 16.00 Uhr
Veröffentlichung Printausgabe LOKAL: Samstag, 9. Dezember 2023

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